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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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Geschichte«, rief Jewas und klatschte in die Hände. »Die Wanife mit dem mächtigsten Geist dieses Landes trauert um ein verfilztes Stück Fell.«
    Mein Stab … Wo war mein Stab? Ich würde nicht kriechend wie ein Wurm sterben. Rainelf sollte stolz auf mich sein. Aufrecht wie ein großer Wanife würde ich dem Tod entgegenblicken, wie eine Nachfahrin Feorts. Meine Finger ertasteten das glatte Holz des Eibenstabs. Stöhnend stemmte ich mich wieder in die Höhe.
    Der Tatzelwurm hatte sich inzwischen zusammengerollt und beobachtete meine Bemühungen mit seinen emotionslosen Augen. Was er wohl sah? Verzweiflung? Todesmut?
    »Weißt du, was das Praktische an diesem Geist ist?«, fragte Jewas und deutete auf den Tatzelwurm. »Selbst wenn er nicht dein Seelengeist ist, verleiht er dir eine untrügliche Intuition. Genau diese Intuition hat mir verraten, wer dein Seelengeist ist und sie verrät mir noch etwas«, sein Lächeln wurde eine Spur breiter, »nämlich, dass er nicht kommen wird, wenn du ihn rufst.«
    Ich presste die Lippen zusammen.
    »Wir werden gleich sehen, ob ich richtig liege«, erklärte Jewas. »Zurück mit dir, Tatzelwurm.«
    Der Tatzelwurm brüllte auf. Die Luft um ihn herum begann zu flimmern und er verschwand spurlos.
    »Wieso hast du das getan?«, krächzte ich. Nicht, dass es noch eine Rolle spielte, schließlich hatte ich überhaupt keinen Geist mehr, den ich rufen konnte. Aber warum schickte er den Tatzelwurm zurück? Jetzt konnte Jewas nur noch einen einzigen Geist aufs Zwiefeld holen. Er musste sich absolut sicher sein, dass Ata meinem Ruf nicht folgen würde.
    »Wenn ein Wanife besiegt ist, so wie du jetzt gerade, Ainwa«, sagte Jewas freundlich, »rufe ich meinen Seelengeist aufs Feld. Ihm gebührt die Ehre, nun ja, um es schön auszudrücken, die Flamme auszupusten.«
    »Ruf dein Mistvieh«, sagte ich und spuckte Blut in den Schnee. »Ich schlag ihm den Schädel ein.«
    »Eigentlich schade, ich hätte zu gern gesehen, wie er es mit dem großen Ata aufnimmt. Weißt du, mein Seelengeist ist nämlich etwas ganz Besonderes. Für gewöhnlich kann ihm ein gegnerischer Geist im Duell nichts anhaben. Wenn er auftaucht, flüchten die meisten von ihnen zurück in die Anderwelt. Dabei interessiert er sich gar nicht für sie. Mein Seelengeist …«, Jewas’ Augen begannen zu funkeln und er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, »mein Seelengeist attackiert den Wanifen direkt.«
    Er hob den Arm und deutete auf das erste Zeichen unter seinem Handgelenk. Aus der Entfernung war es schwierig zu erkennen, aber es erinnerte mich ein bisschen an ein schreiendes Gesicht. Ich war mir sicher, das Zeichen noch nie zuvor gesehen zu haben.
    »Ich rufe den Alb«, rief Jewas.
    Ein ungutes Gefühl machte sich breit. Die Luft begann zu flimmern und plötzlich stand ein kleines, dunkles Männlein vor Jewas. Es war völlig schwarz, genauso dürr wie sein Meister und reichte ihm höchstens bis zur Brust. Es hatte übertrieben lange, spinnenartige Finger, die sich aufgeregt öffneten und schlossen. Sein Gesicht wurde von grünen Glupschaugen und einem ungewöhnlich breiten Mund beherrscht, auf dem ein lauerndes Lächeln lag. Zwei kleine Hörner wuchsen aus seiner Stirn.
    Ich ließ mich von seinem schwächlichen Aussehen nicht an der Nase herumführen. Dieses Ding … der Alb, der aussah wie ein Zerrbild seines Meisters, weckte in mir den Wunsch, so weit wegzulaufen, wie ich nur konnte. Ich erinnerte mich daran, was Kauket über dieses Wesen gesagt hatte. Halt dich fern! Halt dich fern! Halt dich fern! Vielen Dank, Kauket! Hattest du denn keinen besseren Rat für mich?
    Gut. Das war meine letzte Chance, alles oder nichts. Wenn Ata mich tötete, verdammt, dann sollte es eben so sein. Ich starrte das Zeichen meines Seelengeists an.
    »Es tut mir leid«, flüsterte ich. »Bitte, komm.«
    Nichts.
    »Ata …«
    Stille.
    »Ata«, brüllte ich.
    Wieder nichts.
    »Ich rufe den mächtigen Ata!«
    Jewas kicherte.
    »Sieht so aus, als wärst du tatsächlich allein, meine Liebe, aber hab keine Angst, ich werde mich gut um deinen Ata kümmern.«
    »Nur über meine Leiche«, rief ich.
    »Siehst du, wir sind schon wieder einer Meinung«, meinte Jewas mit einer gönnerhaften Geste. »Vielleicht hast du dich ja schon gefragt, wie der Alb dich töten wird. Er lässt dich deinen schlimmsten Albtraum durchleben. Er sucht ihn in dir, in deinen Schatten, deinen Ängsten, so lange bis er den findet, der dich töten kann. Du ahnst ja nicht,

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