Die Wanifen
wie schön es für mich ist, das jedes Mal mit anzusehen, wenn die besiegten Wanifen an ihren furchtbarsten Erinnerungen zugrunde gehen. Ganz still liegen sie da und hauchen ihr Leben aus.«
Jewas seufzte.
»Alb«, meinte er beiläufig. »Töte sie.«
Das dürre Männlein stieß ein unheimliches Keckern aus und kam auf mich zu.
Ich konnte mir nichts vorwerfen, ich hatte alles versucht. Meine Finger schlossen sich fest um den Eibenstab. Der Alb kam überraschend schnell auf mich zugelaufen. Ich stieß einen zornigen Schrei aus und schlug mit dem Stab nach ihm. Mein Hieb ging ins Leere. Der Alb war mir mit einer flinken Bewegung ausgewichen und segelte auf mich zu.
Der Aufprall riss mich zu Boden. Die dürre Gestalt des Albs hockte sich auf mich und seine eisigen Spinnenhände drückten auf meine Brust. Sein Atem ging schnell und rasselnd, seine grünen Glupschaugen starrten mich an. Ich wollte aufspringen und diese widerwärtige Kreatur abschütteln, aber ich konnte mich nicht mehr rühren. Eine Eiseskälte breitete sich in meinem Inneren aus. Alles versank in Dunkelheit. Das winterliche Moor verblasste.
Ich sah Gormans Eulenaugen vor mir, sein finsteres Lächeln. Ich kauerte wieder unter dem Holunderbusch im Seemoor.
»Egal, was du tust, Ainwa, wie mächtig du auch werden magst, am Ende des Wegs warte ich auf dich.«
Angst lähmte wie ein schleichendes Gift meinen Körper. »Nein«, rief ich. »Ich kann ihn immer noch retten. Diese Erinnerung hat keine Macht über mich.«
Ich hörte ein wütendes Zischen, rasselnden Atem, dann änderte sich das Bild. Ich sah die glühenden Augen des Kelpis, der mir die Kehle zudrückte, dahinter erkannte ich, wie der verletzte Gorman aus dem Bannkreis hervorkroch.
Ich wollte schreien, aber ich hatte keine Stimme. Ich hatte Gorman hierher gelockt. Jetzt musste er leiden, nur wegen mir. Meine Schuld! Meine Schuld! Es fiel mir immer schwerer zu atmen.
»Nein«, hauchte ich. »Er hat versucht, mich zu retten. Ich hätte dasselbe für ihn getan. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich ihn aufgehalten. Es war nicht meine Schuld.«
Ein wütendes Keckern erklang. Ich wurde fortgerissen weiter und weiter durch die Dunkelheit …
Es war ein ungewöhnlich warmer Wintertag. Ich war fünf Sommer alt und lief über das knarzende Eis zu der Stelle, wo wir das Netz festgemacht hatten. Heute würde ich es zum ersten Mal ganz allein einholen. Mein Vater würde stolz sein.
»Ainwa, nicht«, brüllte mein Vater panisch. Ich wandte mich um. Er lief auf mich zu und ruderte verzweifelt mit den Armen. Ich dachte, er wollte mir nur winken …
»Papa«, rief ich freudig und winkte zurück. »Papa!«
Mit einem lauten Krachen zerbarst das Eis unter meinen Füßen und ich schoss in die eisige Finsternis hinab. Kälte lähmte meine Glieder. Mit ein paar schwachen Armzügen schaffte ich es, mich zurück an die Oberfläche zu kämpfen.
»Papa, hilf mir!« Mein Vater lief mit panischer Miene auf mich zu, warf sich auf den letzten Metern auf den Bauch und robbte auf den Rand des Eises zu. Meine Kräfte erlahmten. Der See zog mich langsam in die Tiefe. Verzweifelt versuchte ich, mich an der dünnen Eisschicht festzuhalten, doch wo immer ich mich aufstützte, zerbrach sie.
»Halt noch ein bisschen aus, Ainwa«, rief mein Vater, »Halt durch, ich …«
Das Eis brach unter ihm weg … Für einen endlos scheinenden Augenblick verschluckten ihn die dunklen Wasser, dann kam er prustend wieder an die Oberfläche. Sein Blick war auf mich gerichtet.
»Alles ist gut, Ainwa. Alles ist … gut.« Er schwamm mit rasch erlahmenden Bewegungen auf mich zu.
Ich hatte nicht mehr die Kraft, mich an der Oberfläche zu halten und sank in die Tiefe. Kräftige Hände umfassten meinen Körper und hoben mich zurück an die Oberfläche. »Ich h–h–hab dich, Kleines … Ich l–lass d–dich nicht los!«
Er zitterte, konnte sich selbst kaum noch über Wasser halten und wir waren zu weit vom Rand des Eises entfernt. Mein Vater keuchte. Er schien es ebenfalls bemerkt zu haben.
»Nein«, flüsterte er.
Ich sackte immer tiefer ins Wasser hinunter. Mein Vater hatte nicht mehr die Kraft, mich über der Oberfläche zu halten.
»Ata«, rief er verzweifelt, während wir immer tiefer in die dunklen Wasser sanken. Ich wimmerte.
»Großer Ata, bitte«, rief mein Vater panisch. Tränen rannen über seine blau gefrorenen Wangen »B–beschütz sie, b–beschütz mein Kind, lass sie nicht sterben, hab … Erbarmen.«
Die
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