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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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mit kraftvollen Sätzen im Wald. Ich sah ihnen nach und ließ mich erschöpft auf einen großen Stein sinken.
    Wie war das alles nur passiert? Gestern war meine Welt noch völlig in Ordnung und jetzt irrte ich mutterseelenallein durch den Urwald, nachdem Gorman sich in einen Waldgeist verwandelt hatte.
    Der Gedanke an ihn schmerzte so sehr, dass ich aufstöhnte. Ich erinnerte mich an seine Miene, das letzte Lächeln, als er den Kreis durchbrochen hatte.
    »Warum bist du mitgekommen?«, schrie ich plötzlich. »Warum musstest du dieses dämliche Ritual mit mir durchführen? Wieso hast du nicht auf mich gehört? Wieso musstest du mich retten? Wieso hast du …?«
    Meine Stimme bebte. »Du hättest mich einfach gehen lassen sollen!«
    Ein leises Knacken ließ mich zusammenfahren.
    »Gorman?«
    Kein weiteres Geräusch ertönte.
    Ich erhob mich so lautlos wie möglich.
    »Wer ist da?«, fragte ich und griff nach meinem Eibenbogen.
    Ein Schatten erschien am gegenüberliegenden Rand der Lichtung. Niemals zögern, hatte Gorman mir immer und immer wieder eingetrichtert . Wenn du in Gefahr bist, schieß!
    Etwas trat auf die Lichtung heraus. Für einen Moment glaubte ich, es wäre ein Tier, so geschmeidig und schnell waren seine Bewegungen.
    Ich senkte den Bogen ein wenig.
    Es war ein junger Mann in meinem oder Gormans Alter, das war nicht so leicht zu erkennen. Er bewegte sich wie eine Raubkatze, geduckt, als würde er jeden Augenblick darauf warten, sich auf seine Beute zu stürzen.
    Sobald er ein paar Schritte auf die Lichtung heraus gemacht hatte, verharrte er, und starrte mich aus dunklen Augen an.
    »Mein Name ist Ainwa, vom Volk der Ata«, erklärte ich. »Was suchst du hier?«
    Es war eine Eigenschaft, für die ich Gorman immer bewundert hatte, eine natürliche Souveränität, in Situationen wie dieser. Doch so sehr ich mich auch bemühte, ich konnte das Beben in meiner Stimme nicht völlig unterdrücken.
    Der Fremde sah merkwürdig aus. Er trug nur eine Hose aus dunklem Leder. Sein schlanker Oberkörper war mit blutroten Handabdrücken übersät, während er den Bereich um seine Augen mit Ruß geschwärzt hatte. Sein aschblondes Haar hing ihm völlig verfilzt vom Kopf und erinnerte an den Winterpelz eines Schakals.
    Aber was mich am meisten verwunderte, war die Ausrüstung des Mannes – es gab keine. Er trug nichts bei sich … kein Wasser, keinen Proviant, keine Waffen, nur einen dünnen Stock, aus dessen Spitze ein paar Blätter wuchsen.
    Wie ein Tier … »Wer bist du?«, fragte ich laut. »Und was willst du hier?«
    Der Fremde musterte mich interessiert.
    Wie dumm von mir! Vermutlich hörte er die Sprache der Ata zum ersten Mal.
    Ich senkte den Bogen und hängte ihn mir wieder über die Schulter.
    Der Kerl bedrohte mich nicht, er besaß nicht einmal eine Waffe.
    Ich hob meine leeren Hände und zeigte sie dem Fremden. Ein Hauch von Überraschung huschte über seine Miene, dann breitete sich ein Lächeln auf seinen Zügen aus.
    Seltsamerweise beruhigte es mich nicht. Wie alles an ihm hatte es etwas Lauerndes.
    Ohne mich aus den Augen zu lassen, schlenderte er zu einem großen Stein am gegenüberliegenden Rand der Lichtung.
    Er griff seinen Stock in der Mitte, hielt ihn hoch in die Luft und schlug dreimal auf den Stein.
    Der Klang der Schläge hallte laut durch den Wald. Eine Gruppe Eichelhäher flog lärmend auf und ließ mich zusammenfahren.
    Ich musterte den Fremden.
    War das eine Art Gruß? Wenn ja, was hatte er zu bedeuten? Ich fühlte mich nicht besonders wohl. Weil wir uns nicht verstanden, konnte es leicht zu Missverständnissen kommen und ich wusste zu wenig über diesen Kerl, um abschätzen zu können, ob er gefährlich war.
    Er lächelte wieder und machte eine auffordernde Geste in meine Richtung.
    Vielleicht wollte er, dass ich das Gleiche mit meinem Stock machte …
    Am liebsten wäre ich einfach gegangen, aber vielleicht würde ihn gerade das provozieren und mit meinem Bein war an Weglaufen nicht zu denken.
    Ich hob den Stock, auf den ich mich beim Gehen gestützt hatte auf dieselbe Weise wie er und schlug ihn dreimal senkrecht auf den Stein, auf dem ich gesessen hatte.
    Plötzlich fühlte ich einen kühlen Hauch. Ich blickte mich um. Eine unheimliche Stille hatte sich über die Lichtung gelegt.
    Der Kerl richtete sich auf und atmete tief durch. Die Muskeln auf seinem sehnigen Oberkörper wirkten wie gespannte Seile.
    Ich wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Irgendwie hatte ich das Gefühl,

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