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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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mehr getan zu haben, als mit einem Stock auf einen Stein zu schlagen.
    Der Mann hob die rechte Hand.
    Ich kniff ungläubig die Augen zusammen. Unter seinem Handgelenk prangte ein schwarzes Zeichen. Es war ein anderes Muster … aber das Zeichen war eindeutig von derselben Art wie das, das ich heute Morgen auf meinem Unterarm entdeckt hatte.
    »Heißt das … Heißt das, du bist so wie ich?«, fragte ich. »Ein Wanife?«
    Er berührte das Zeichen mit dem Zeigefinger der anderen Hand.
    Seine dunklen Augen glitzerten.
    »Percht«, sagte er.
    Die Lichtung verdunkelte sich. Ein seltsamer Wind zog auf.
    Die Gestalt des Fremden erkannte ich nur noch als aufrechten Schatten mit glänzenden Augen. Vor ihm schien sich die Dunkelheit zusammenzuballen. Die Luft schien regelrecht zu flimmern.
    Langsam wurde es wieder heller … und wir waren nicht mehr allein auf der Lichtung.
    Unmittelbar vor dem Mann war eine Gestalt aufgetaucht, die zusammengekauert auf dem Boden hockte.
    »Bei Ata …«, murmelte ich.
    Die Kreatur glich keinem Tier. Ich konnte nicht mit Sicherheit sagen, was es war, auch nicht, als es sich mit einem dumpfen Knurren zu seiner vollen Größe aufrichtete. Es überragte mich deutlich und war viel massiger.
    Der von zotteligem, sandfarbenem Fell bedeckte Körper und der aufrechte Gang ließen es wie ein Zwischenwesen aus Mensch und Tier wirken. Zwei dicke Hörner wuchsen aus dem Kopf des Wesens. Sie bogen sich nach hinten so wie die eines Steinbocks.
    Große, gelbe Augen fixierten mich. Das Gesicht der Kreatur war weitgehend frei von Fell und machte einen grobschlächtigen Eindruck mit der stark gewölbten Stirn, der breiten Knollennase und einem Maul, aus dem bedrohlich wirkende Hauer hervorblitzten.
    ,Percht‘ hatte der Fremde die Kreatur genannt. Dunkel erinnerte ich mich, dass man sich bei den Ata Geschichten von wilden Frauengestalten mit diesem Namen erzählte. Dieses Wesen hatte bestimmt nichts Weibliches an sich.
    Der Fremde trat an die Seite des Geschöpfs, das mich keinen Wimpernschlag aus den Augen ließ. Er schien überhaupt keine Furcht vor der einschüchternden Gestalt zu empfinden.
    »Percht«, sagte er sanft, während er mir zulächelte.
    Das Wesen fauchte und streckte mir seine ungewöhnlich lange Zunge entgegen.
    »Töte sie!«
    Ich riss überrascht die Augen auf. Die Kreatur katapultierte sich in die Luft, ein brüllender Albtraum mit wehendem Fell, der auf mich zuraste …
    Mit einem Schrei ließ ich mich zur Seite fallen.
    Der Percht verfehlte mich knapp. Der Hieb der Pranken traf statt meiner nur den Waldboden und ließ Brocken aus Moos und Erde durch die Luft fliegen.
    Mithilfe meines Stocks kam ich auf die Beine.
    Die Kreatur erhob sich ruckartig und stieß ein wütendes Knurren aus.
    Ich zögerte nicht, so wie Gorman es mich gelehrt hatte. Sofort spannte ich einen Pfeil ein und schoss. Das Sirren der Bogensehne durchschnitt die Luft. Der Pfeil traf das Wesen mitten in die Brust. Der Percht warf den Kopf in den Nacken und brüllte.
    Ich keuchte und humpelte sicherheitshalber ein paar Schritte weiter weg. Der Fremde stand noch immer an derselben Stelle, reglos, lächelnd. Das Brüllen der Kreatur erstarb. Ich wandte ihr langsam wieder den Blick zu. Die gelben Augen des Wesens musterten mich zornig.
    Warum war es noch nicht tot? Der Schuss musste sein Herz zerfetzt haben. Ich betrachtete den Pfeilschaft, der in der Brust des Perchts steckte. Kein Blut …
    Das Wesen bleckte die Zähne, packte den Pfeil und zog ihn mit einem kräftigen Ruck heraus. Noch immer kein Blut … nicht ein Tropfen!
    Wütend schleuderte das Wesen meinen Pfeil fort.
    Das war nicht gut … überhaupt nicht.
    Das Wesen stürmte auf mich zu.
    Ich packte meinen Stock und holte aus. Gerade, als ich zuschlagen wollte, wurde mir der Stock mit einem gewaltigen Prankenhieb aus den Händen gerissen. Die gebogenen Hörner rammten mich und pressten mir die Luft aus dem Brustkorb. Ich fiel zu Boden. Alles drehte sich. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, in den schwarzen Abgrund der Bewusstlosigkeit zu stürzen. Ich schnappte verzweifelt nach Luft und versuchte, die Kreatur im Blickfeld zu behalten.
    Das Wesen fauchte triumphierend und streckte mir erneut seine lange Zunge entgegen.
    Es würde gleich wieder angreifen. Ich durfte nicht liegen bleiben. Ich rollte mich stöhnend auf den Bauch und begann, so schnell wie möglich auf den Rand der Lichtung zuzurobben. Als ich einen panischen Blick hinter mich riskierte,

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