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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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Geister tun, was ihrer Natur entspricht. Die einen schaffen, die anderen zerstören. Erzähl mir von den Geistern, die dein Volk verehrt, Ainwa.«
    »Die Urukus zum Beispiel«, antwortete ich grinsend, während ich gerade ein paar riesige Farne zur Seite bog.
    »Ich bin momentan nicht in der Stimmung für Scherze.«
    Seine Aussage schien mir nicht gerade der Ausdruck einer momentanen Befindlichkeit zu sein.
    »Nun, bei den Ata werden ziemlich viele verehrt. Ich glaube, Alfanger ist der Einzige, der sie alle aufzählen kann.«
    »Streng dich an.«
    »Also gut.« Ich seufzte. »Da ist der Bartengryf, ein mächtiger Geist aus dem Gebirge.«
    »Aha«, machte Kauket. »Was weißt du über den Bartengryf?«
    »Er schützt die, denen er wohlgesonnen ist vor Stürmen. Aber er kann sie auch verursachen.«
    »Wie sieht er aus?«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    Kauket seufzte. »Erzähl mir von den anderen Geistern.«
    »In den Höhlen lebt der große Tatzelwurm. Die Grottenolme sind seine Kinder. In der Dunkelheit lässt er Edelsteine wachsen. Man sollte sie niemals ohne seine Erlaubnis aus der Erde holen.«
    »Wahrheit gemischt mit Legende«, murmelte Kauket.
    »Hm«, brummte ich. »Dann gibt es noch Salkweiber. Wunderschöne Frauengestalten, die gern Jünglinge in ihr Reich entführen.«
    »Gar nicht so schlecht«, kommentierte Kauket.
    »Ich erinnere mich auch an das Raudrackl …«
    »Raurackl«, korrigierte mich Kauket leicht verärgert.
    Als ich eine Weile nichts mehr sagte, blieb er stehen und wandte sich mir zu.
    »Sind das wirklich alle?«
    »Wie gesagt, Alfanger …«
    »Du musst einfach noch mehr von ihnen beim Namen kennen … zumindest …«
    Er musterte mich prüfend. Ich wich seinem Blick aus. Mein ganzes Leben hatten mir die Geister nur Unglück gebracht. Wenn es irgendetwas gab, was ich über sie wissen wollte, dann nur, wie man sie sich vom Hals hielt.
    »Sieh mal … können wir nicht über etwas anderes als die Geister reden?«
    Kaum hatten die Worte meinen Mund verlassen, bereute ich sie auch schon.
    Kauket schnaubte verächtlich. »Ich merke schon, eine große Wanife wie du hat es nicht nötig, sich mit solchen Belanglosigkeiten zu befassen.« Er wandte sich ab und stürmte auf eine kleine Lichtung hinaus.
    »Ich wollte dich nicht beleidigen«, rief ich und folgte ihm.
    Er blieb so abrupt stehen, dass ich fast in ihn hineingelaufen wäre, und warf mir einen missbilligenden Blick zu. »Deine erste Lektion beginnt hier.«
    Ich nickte und umfasste meinen Stab fester, obwohl ich keine Ahnung hatte, was er von mir erwartete.
    »Gut, was soll ich tun?«
    Er lächelte – was mich ehrlich gestanden ein bisschen beunruhigte.
    »Für den Anfang … finde den Weg zurück zur Hütte.«
    Ich warf ihm einen zweifelnden Blick zu, wagte es aber nicht, die Leichtigkeit der Übung zu kommentieren.
    »Bist du bereit?«
    Ich nickte.
    »Sobald du anfangen möchtest, schlag mit deinem Stab einmal auf diesen Stein.«
    Er wies auf einen Felsen, dessen glatter Buckel neben ihm aus der Erde ragte.
    »Wieso?«
    »Du wolltest etwas über die Dinge lernen, die du kannst. Diese kleine Geste wird dir helfen, es herauszufinden.«
    Ich bedachte ihn mit einem misstrauischen Seitenblick.
    »Der Wanife im Wald … er ließ mich drei Mal mit dem Stab auf den Fels schlagen, danach war ich auf der Lichtung gefangen.«
    »Das wird nicht passieren«, erwiderte Kauket.
    Ich seufzte. Schließlich wollte ich ja von ihm lernen. Wenn ich seine Lektionen nicht befolgte, konnte ich es gleich sein lassen.
    Langsam hob ich meinen Stab in die Höhe.
    »Eines noch. Du solltest die Aufgabe bis zum Sonnenuntergang erledigt haben. Danach wird es gefährlich.«
    Ich rollte mit den Augen. Die Art, wie Kauket mich behandelte, ärgerte mich. Er wusste doch, wie viele Tage und Nächte ich erst kürzlich allein im Wald verbracht hatte, und in diesem unzugänglichen Tal lebten wahrscheinlich gar keine größeren Raubtiere. Seine Bemerkung war der pure Hohn.
    »Ich denke, ich komme zurecht«, erwiderte ich kühl, und ließ meinen Stab auf den Fels hinabsausen.
    Der Schlag hallte noch eine Weile auf der Lichtung wider.
    »Und? Wie viel Vorsprung soll ich dir lassen?«, fragte ich gelangweilt.
    Es dauerte einen Moment, bis ich merkte, dass ich allein auf der Lichtung war.
    Kauket war verschwunden.
    »Oh, ich hab ja so Angst«, murmelte ich finster.
    Für einen Augenblick spielte ich mit dem Gedanken, das Gebüsch um die Lichtung herum nach Kauket abzusuchen

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