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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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und damit seinen Möchtegern-Zaubertrick zu entlarven, aber ich beschloss, die Übung einfach so schnell wie möglich hinter mich zu bringen.
    Ich verließ die Lichtung auf demselben Weg, auf dem wir gekommen waren, ging entlang des kleinen Bachlaufs, der sich seinen Weg zwischen Adlerfarnen und Schachtelhalmen hindurch Richtung Seeufer gebahnt hatte. Es war nicht besonders weit. Ein paar Minuten bis zum Gräberfeld und vielleicht noch mal eine halbe Stunde am Seeufer bis zum Dorf. Ich beschleunigte meine Schritte und erreichte kurze Zeit später die Mündung des Bachs.
    Ich trat aus dem Wald hervor und blickte mich um. Das von Silberweiden bewachsene Kiesufer lag genauso da wie zuvor, mit einer Ausnahme: Zwischen den alten Rotbuchen am Waldrand fehlten die Grabmale von Kaukets und Nephtys’ Vorfahren.
    »Ich muss an einem anderen Ort hinausgekommen sein«, brummte ich, obwohl ich mich an die Mündung des Bachs zu erinnern glaubte.
    Nun, das Gräberfeld der Urukus zu finden, war sowieso nicht Teil meiner Aufgabe, also beschloss ich einfach, dem Seeufer zu folgen, bis ich das Dorf erreichte.
    Ein leichtes Plätschern ließ mich zusammenzucken. Ich drehte mich um und erblickte eine Elchkuh mit ihrem Kalb, die im Uferbereich des Sees Wasserpflanzen abweideten.
    Der Anblick der Elche ließ mich aufatmen. Eine Elchkuh, die ein Kalb führte, gehörte zu den wachsamsten Tieren in den Wäldern. Wenn sie hier seelenruhig im Wasser standen und fraßen, drohte keine unmittelbare Gefahr.
    Ein lautes Bersten im Wald ließ mich auffahren.
    Die Elchkuh riss den Kopf in die Höhe und stellte die Lauscher auf.
    Das Bersten wiederholte sich, wieder und wieder, wie die Schritte von etwas sehr Massigem, das durchs Unterholz preschte.
    Die Elchkuh sprang mit ein paar schaukelnden Sätzen tiefer ins Wasser und schwamm mit ihrem Jungen im Gefolge auf das andere Ufer zu.
    Ein mulmiges Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus. Diese seltsamen Schritte näherten sich mit hoher Geschwindigkeit.
    Ich blickte mich um. Falls in diesem Tal doch größere Raubtiere lebten, musste ich auf der Hut sein. Warum hatte ich bloß meinen Eibenbogen in der Hütte gelassen? Dabei hatte mir Gorman doch eingeschärft, ihn immer mitzunehmen, wenn ich in den Wald ging, egal, aus welchem Grund.
    Ich prüfte rasch die Windrichtung, damit ich eine geschickte Deckung aufsuchen konnte, in der das Raubtier mich nicht wittern würde, aber es war absolut windstill.
    Das Geräusch näherte sich so rasch, mir blieb nicht mehr viel Zeit, also rannte ich zurück in den Wald und kroch unter den erstbesten Busch, der mir in den Weg kam.
    Weglaufen wäre keine besonders gute Idee gewesen. Was weglief, war Beute – und außerdem war es für so ziemlich jedes Tier eine Leichtigkeit, einen laufenden Menschen einzuholen.
    Während ich unter dem grünen Netz aus Blättern kauerte, hörte ich, wie die Schritte langsamer wurden und das Geräusch schließlich verstummte. Ich war mittlerweile ziemlich sicher, dass es sich um einen Bären handelte. Bären konnten sich zwar leise bewegen, so leise, dass man sie trotz ihrer Größe oft erst wahrnahm, wenn man direkt vor ihnen stand, aber ein männlicher Bär, der sein Revier verteidigte oder eine Bärin, die Jungen führte, konnten auch wie die reinsten Berserker durch den Wald preschen.
    Der Bär musste ganz in meiner Nähe sein. Ich versuchte, kein Geräusch zu machen.
    In diesem Moment hörte ich ein seltsames Stöhnen. Tief, fast zu menschlich für einen Bären. Vorsichtig spähte ich zwischen den Blättern hindurch. Kurz sah ich etwas Hellbraunes zwischen den Farnen hindurchhuschen und duckte mich tiefer in meine Deckung. Ich hörte ein Knurren, gefolgt von einem unwirschen Schnauben. Der Bär konnte nur wenige Schritte von mir entfernt sein. Ich roch bereits seinen strengen Moschusgeruch. Ein lautes Brüllen ließ mich zusammenzucken, dann trampelte er rasch davon.
    Ich atmete auf, aber erst als ich mich überzeugt hatte, dass ich auch wirklich allein war, rollte ich mich unter dem Busch hervor.
    Kauket hätte mir von dem Bären erzählen müssen. Ein vagabundierender Bär, der dieses winzige Tal unsicher machte, das war kein Spaß. Ob er nun mein Lehrer war oder nicht, ich würde ihm ins Gesicht sagen, was ich davon hielt.
    Ein süßlicher Duft stieg mir in die Nase. Der Busch, unter dem ich Zuflucht gefunden hatte, war ein Holunder. Wahrscheinlich hatte sein intensiver Duft verhindert, dass der Bär mich gewittert

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