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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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es diesmal ernst meinte oder nicht, also rannte ich ebenfalls los.
    Die Luft fühlte sich auf meinem erhitzten Körper eiskalt an. Regentropfen brannten wie kleine Eiszapfen auf meiner Haut. Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, und warf mich mit Todesverachtung in den See.
    Mein Herz blieb für einen winzigen Augenblick stehen, als die eisigen Fluten über mir zusammenschlugen, nur um dann umso schneller weiterzuschlagen.
    Ich kam prustend an die Oberfläche und stieß einen lauten Fluch aus.
    »Ich kann nicht sagen, dass ich das vermisst habe«, sagte Kauket mit hochgezogenen Augenbrauen. Die Lichtbahnen auf seiner goldenen Haut waren verschwunden und auch die schwarzen Linien meines Geistzeichens waren wieder da, wo sie sein sollten.
    »Das war unglaublich«, rief ich und wischte mir meine triefenden Haare aus dem Gesicht. »Kann ich lernen, immer auf diese Weise zu sehen?«
    Kauket ließ sich bis zur Nase ins Wasser sinken und beobachtete mich.
    »Möchtest du das?«, fragte er, nachdem er wieder aufgetaucht war.
    »Ja«, flüsterte ich. »Sehr sogar.«
    »Dann kannst du es lernen. Mit viel Übung, vielen Jahren Übung. Nur wenige Wanifen werden so fähige Heiler, dass sie dieses Stadium erreichen. Nur die Meister.«
    »So wie du«, flüsterte ich. »Du hast mein Elchenband gedämpft.«
    Dieses Mal war Kaukets Lächeln deutlicher.
    »Im Heilen bin ich sehr weit davon entfernt, ein Meister zu sein. Ich musste den Trank benutzen, um das zu tun. Aber eines Tages … wenn ich dir alles beigebracht habe, was ich weiß, vielleicht wirst du es dann aus eigener Kraft schaffen, deine Grenzen zu überwinden. Meine Stärken liegen woanders.«
    Kauket legte sich auf den Rücken und ließ sich gemächlich treiben. Die Kälte und der Regen schienen ihm nicht das Geringste auszumachen.
    Was hatte er mir über seine Fähigkeiten in den vier Disziplinen erzählt? Ein mieser Heiler, ein passabler Wandler, ein guter Geisterringer und ein exzellenter Wachser.
    Ich wünschte, ich wüsste endlich, wo meine Stärken liegen würden. Auf jeden Fall nicht im Wachsen – so viel konnte ich schon sagen, das Wandeln und das Geisterringen, Himmel, ich wusste nicht einmal, um was es dabei ging. Vielleicht lagen sie ja tatsächlich im Heilen, da hatte ich zumindest schon Erfahrung.
    »Bist du eine gute Schwimmerin, Ainwa?«, fragte Kauket, während er immer noch den grauen Himmel über uns anstarrte.
    Ich lächelte. Noch ein Grund, warum man mich in Ataheim oft schief angesehen hatte. Ich liebte es, weit auf den See hinauszuschwimmen, so weit, bis die Hütten Ataheims nur noch wie ein Häufchen Treibholz aussahen und ich freie Sicht auf die Berge hatte.
    Ich glaubte, den meisten Menschen machten die blauen Tiefen des Ata Angst, während sie auf mich eine beinahe magnetische Anziehung ausübten. Gorman hatte mich immer damit aufgezogen und gemeint, mit einem Pelz würde ich einen passablen Otter abgeben.
    »Ich denke, ja.«
    »Zeig es mir«, forderte er mich auf.
    Ich warf ihm einen fragenden Blick zu.
    »Zeig mir, wie du schwimmst.«
    Ich stieß mich vom Kiesgrund ab und begann mit kraftvollen Zügen durch das Wasser zu gleiten.
    Oh … Ich hatte beinahe vergessen, was für ein angenehmes Gefühl es war, wenn kühles Seewasser an meiner Haut entlangstrich. Meine Hose füllte sich zwar langsam mit Wasser, aber sie behinderte mich kaum. Ich tauchte ab und genoss das Gefühl, langsam über den Grund zu schweben.
    Als ich auftauchte, war Kauket weiter entfernt als gedacht. Ich schwamm zu ihm zurück und blickte ihn erwartungsvoll an.
    »Das dachte ich mir«, murmelte er und wandte sich ab. Mit langsamem Schritt stieg er aus dem Wasser und ging auf unsere Hütte zu.
    Nach einer Weile folgte ich ihm, ohne mir einen Reim auf seine Reaktion machen zu können.
    In der Hütte angekommen, musste Kauket die Vorwürfe seiner Schwester über sich ergehen lassen. Sie fand es unverantwortlich, mich zuerst zu vergiften und dann bei diesem Wetter in den See zu jagen.
    Kauket zog sich seelenruhig trockene Kleidung an, als wäre sie nicht da.
    Nephtys warf mir trockenes Gewand vor die Füße und wandte sich sofort wieder ihrem Bruder zu. Es war das erste Mal, dass ich die Faserkleidung der Urukus überstreifte. Sie fühlte sich angenehm leicht an, aber auch ein bisschen kratzig auf der Haut.
    »Bei dir muss es immer ums nackte Überleben gehen«, fuhr Nephtys ihn an. »Einen guten Wanifen zeichnet sein Mitgefühl für andere aus. Wie soll sie das lernen,

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