Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
Vom Netzwerk:
nahm aber nur einen leichten Pilzgeruch wahr. Ich setzte die Schale an und ließ die heiße Flüssigkeit in meinen Mund rinnen. Der Trank schmeckte, wie er roch – sehr mild, mit einem Hauch von Schärfe. Ich wischte meine Bedenken beiseite und schluckte ihn hinunter.
    »Gut«, sagte Kauket zufrieden, als ich ihn fragend anblickte. Er zog sein seltsames Faserhemd aus, offenbar, damit es nicht vom Schweiß durchnässt wurde. Die feucht–heiße Luft in der Hütte ließ auch an mir den Schweiß in Strömen hinabfließen.
    »Entspann dich. Es dauert eine Weile, bis der Trank wirkt.«
    »Wozu dient er?«
    Kauket schwieg.
    »Jetzt könntest du’s mir ruhig sagen. Ich kann keinen Rückzieher mehr machen.«
    Kauket schenkte mir sein Halblächeln und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht.
    »Ich möchte dir nicht die Überraschung verderben.«
    Ich warf ihm einen finsteren Blick zu. Gab es eigentlich ein wirksames Gegenmittel für Pilzvergiftungen? Ich grübelte eine Weile darüber nach, aber mir fiel keines ein. Irgendwann drifteten meine Gedanken ab und ich dachte an meinen Seelengeist. Mir gefiel der Gedanke, einen mächtigen Gefährten in der Geisterwelt zu haben, einen Geist, der mir ähnlich war, der mich beschützte … Aber wo war dieser Seelengeist gewesen, als mich der Kelpi angegriffen hatte? Wo war er gewesen, als der Streuner versucht hatte, mich zu töten?
    Vielleicht war mein Seelengeist eine sanfte, friedliche Kreatur und nicht für den Kampf geschaffen. Vielleicht konnte er mich nicht vor solchen Gefahren beschützen und Kauket war deshalb so zögerlich, mir seine Identität zu verraten, weil er wusste, es würde mich verletzen, niemals eine so starke Wanife werden zu können wie er …
    Nun, vielleicht gab es Schlimmeres, als eine friedliche Kreatur zum Seelengeist zu haben. Vielleicht würde ich einmal die Fähigkeit besitzen, Konflikte zu lösen, ohne dass jemand Schaden davontrug. Das war ein schöner Gedanke.
    Kauket goss wieder etwas Wasser über den Gluthaufen. Dichte Dampfschwaden stiegen empor und ließen seine Gestalt für einen Augenblick verschwinden. Der Schweiß bahnte sich kitzelnd einen Weg aus meinen Poren und rann mir über den Körper.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Kauket spöttisch.
    »Abgesehen davon, dass du uns hier brätst wie ein Stück Fleisch …?«
    »Sonst fühlst du dich wohl?«
    »Ich schwitze.«
    »Das ist alles?«
    »Das ist alles.«
    »Wie sehe ich für dich aus?«
    Ich runzelte die Stirn und hob den Blick. »Was meinst …?« Das Wort blieb mir im Hals stecken, als ich Kaukets Gestalt musterte.
    »Offenbar anders als normalerweise«, meinte er mit einem angedeuteten Lächeln.
    Ich brachte kein Wort über die Lippen. Mir fehlten einfach die Worte, um zu beschreiben, was ich sah.
    Bahnen aus Licht, nein … Bahnen, in denen Licht floss, überzogen Kaukets Körper. Unzählige Rinnsale zweigten von ihnen ab, verbanden sich mit anderen Bahnen oder mündeten in strahlende Lichtwirbel. Diese Wirbel lagen auf seinem Scheitel, seiner Stirn, seiner Kehle, seiner Brust und seinem Bauchnabel. Die Hose verbarg, ob es noch mehr von ihnen gab.
    Eine Weile saß ich einfach da und beobachtete, wie dieses wunderschöne, bläuliche Licht durch Kaukets Körper floss.
    Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis ich erkannte, dass etwas nicht stimmte. Es war winzig, nur eine Kleinigkeit. An Kaukets rechter Schläfe schien der Fluss des Lichts zu stocken. Das Licht hatte dort einen rötlichen Schimmer angenommen und bildete eine sanft pulsierende Aura.
    Ich starrte die Stelle angestrengt an.
    »Was ist?«, fragte er, als er meinen Blick bemerkte.
    Ich schüttelte leicht den Kopf. Aus irgendeinem Grund fiel es mir noch immer schwer, zu sprechen. Vielleicht war auch das eine Wirkung des Pilztranks.
    »Nun«, meinte Kauket. »Jetzt, da du es erwähnst, ich habe seit heute Morgen leichte Kopfschmerzen.« Er blickte mir direkt in die Augen. »Kannst du etwas dagegen tun?«
    Ich hielt den Blick auf Kaukets Schläfe gerichtet und kroch um den Gluthaufen herum, bis ich neben ihm hockte.
    Es war jetzt ganz klar für mich zu sehen. Ich musste nur die Verstopfung an einem kleinen Lichtrinnsal lösen …
    Ich streckte meine Hand aus und platzierte meinen Daumen und meinen Mittelfinger dort, wo der kleine Lichtfluss von einer größeren Bahn abzweigte und wo er in den Lichtwirbel auf Kaukets Stirn mündete. Als ich mir sicher war, meine Finger auf die richtigen Punkte gelegt zu haben, drückte

Weitere Kostenlose Bücher