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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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wenn du sie immer von einer Gefahr zur nächsten jagst?«
    »Nephtys«, sagte ich und hob beschwichtigend die Hände. »Kauket hat mir heute viel beigebracht.«
    Ich wandte mich ihm zu. »Ich weiß jetzt, was für eine Wanife ich einmal werden möchte.«
    Kauket schien mich nicht zu hören. Er setzte sich im Schneidersitz auf sein Lager und legte seinen Eichenstab vorsichtig über die Beine. Er schloss die Augen und seine Miene nahm einen konzentrierten Ausdruck an. Wieder hatte ich das Gefühl, er versuchte, in der Geisterwelt Antworten auf die Fragen zu finden, die ihn beschäftigten.
    »Siehst du?«, meinte Nephtys finster. »Das ist der Dank dafür, dass du für ihn Partei ergreifst. Er ignoriert dich.«
    Ich schwieg. Tief in meinem Inneren wünschte ich, ich würde verstehen, was Kauket so aufwühlte, und warum er mit mir nicht darüber sprechen wollte.
     
    Es war ein seltsamer Traum, ähnlich denen, die mich seit meiner Ankunft im Wanifenhaus heimsuchten, die, in denen ich so schnell durch den Wald lief, als würde ich fliegen.
    Ich wollte etwas, nein, ich begehrte etwas. Und was immer es war, ich fühlte mich ihm jetzt so nahe, als brauchte ich nur noch die Hand auszustrecken.
    Im Mondlicht, zwischen den Bäumen, erkannte ich das Glitzern von Wasser. Lautlos glitt ich zwischen den Baumstämmen hindurch und blickte auf die unbewegte Oberfläche eines Sees hinab. Ich hatte die Nähe des Dorfes schon lange gerochen, jetzt lag es endlich vor mir. Auf den ersten Blick sah es Ataheim zum Verwechseln ähnlich, die feinen Unterschiede offenbarten sich erst bei genauerem Hinsehen: Ein rauschender Gebirgsbach mündete neben dem Dorf in den See. Auch die dunklen Silhouetten der Berge, die den Horizont begrenzten, erschienen mir fremd. Die Form der Hütten wirkte länglicher, als ich es gewohnt war.
    Wo war sie? Ich wollte sie, ich brauchte sie.
    Mit meinen scharfen Augen erspähte ich eine grazile Gestalt am Seeufer. Das Mondlicht verlieh ihrer blassen Haut einen matten Schimmer. Langes, welliges Haar fiel ihr über die Schultern.
    Das Mädchen stand außerhalb des Dorfes im flachen Wasser und blickte auf den See hinaus. Ich stellte mit tiefer Befriedigung fest, dass keine Kleider ihren makellosen Körper verbargen. Sie hatte ihre Hose und ihr Hemd am steinigen Ufer zurückgelassen. Es wunderte mich, dass sie so furchtlos war, sich mitten in der Nacht von ihrem Dorf zu entfernen, aber auf der anderen Seite wusste ich, was sie war.
    Mit einem eleganten Kopfsprung katapultierte sie sich ins Wasser und tauchte ein Stück unter der spiegelglatten Oberfläche dahin.
    Ich sah, wie sie wieder an die Oberfläche kam und sich auf den Rücken legte, wahrscheinlich, um den klaren Sternenhimmel zu beobachten. Für eine Weile ließ sie sich treiben. Ich hörte das leise Platschen ihrer Bewegungen bis zum Waldrand herauf.
    Plötzlich ging ein Ruck durch ihre Gestalt, geradeso als würde sie meine Gegenwart spüren.
    Gut …
    Das Mädchen richtete sich auf und wischte sich das Wasser aus dem Gesicht. Der Blick ihrer ängstlichen Augen glitt zum Waldrand herauf – und blieb an meiner Gestalt hängen.
    Ich lächelte, als sich Überraschung auf ihrer Miene breitmachte.
    »Du bist mein«, flüsterte ich.
    Kauket war fort, als ich am nächsten Morgen aufwachte. Ich nahm an, er hatte das Wanifenhaus verlassen, um nach Gorman Ausschau zu halten, aber Nephtys weigerte sich, mir Genaueres zu erzählen. Ich wünschte, sie würde sich weniger Sorgen um mich machen und mir stattdessen die Wahrheit sagen. Auf der anderen Seite fühlte es sich zur Abwechslung nicht schlecht an, jemanden zu haben, dem man so am Herzen lag.
    Anstatt auf die Jagd zu gehen, blieb Nephtys im Dorf und leistete mir Gesellschaft. Um ehrlich zu sein, verursachte mir das ein schlechtes Gewissen. Kauket war sowieso schon rund um die Uhr mit meiner Ausbildung beschäftigt und kam nicht dazu, seiner Schwester bei den anfälligen Arbeiten im Dorf zu helfen und jetzt verzichtete sie wegen mir auch noch auf die Jagd.
    Nephtys schien das alles nichts auszumachen. Seit meiner Ankunft übertraf sie sich darin, mir köstliche Mahlzeiten zuzubereiten und je mehr ich aß, desto mehr strahlte sie. Wenn wir am Abend gemeinsam am Feuer saßen, bat sie mich oft, von meinem Leben in Ataheim zu erzählen und von den Menschen, die dort lebten. Dabei schienen sie die banalsten Geschichten zu faszinieren. Zum Beispiel musste ich ihr genau zeigen, wie die Ata-Frauen ihr Haar trugen. Ein

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