Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
Vom Netzwerk:
anderes Mal wollte sie wissen, wie die Jäger ihre Speere herstellten, und wieder ein anderes Mal erzählte ich ihr die Geschichte, wie Weyrefs Mutter das Gerücht in die Welt gesetzt hatte, ich hätte meinen Eibenbogen einem leibhaftigen Percht gestohlen.
    Nephtys hatte daraufhin so laut losgelacht, dass Kauket uns mit einem unwirschen Schnauben zu verstehen gegeben hatte, dass wir ihn in seiner Konzentration störten.
    Um mein Gewissen etwas zu beruhigen, begann ich, Nephtys beim Flechten neuer Weidenreusen zu helfen, eine Technik, die ich von Kindesbeinen an beherrschte, immerhin war ich die Tochter eines Fischers.
    Das Wetter war etwas besser als am Tag zuvor, zwar immer noch viel zu kalt für die Jahreszeit, aber zumindest gab es zwischen den Regengüssen jetzt längere Pausen. Später am Tag paddelten wir mit einem kleinen Floß auf den See hinaus und versenkten die Reusen im Wasser. Lange vergessene Erinnerungen meldeten sich zurück. Erinnerungen daran, an welchen Stellen die Reinankenschwärme am liebsten durchzogen und wie der Grund beschaffen sein musste, wo die Saiblinge gern standen.
    Ich spürte ein vertrautes Glücksgefühl, als wir die schweren Reusen einholten und im Wasser das silberne Blitzen zappelnder Fischkörper erblickten.
    »Heute Morgen warst du so still, aber jetzt scheint es dir besser zu gehen«, bemerkte Nephtys, während wir ans Ufer paddelten.
    »Ich hatte einen seltsamen Traum.«
    »Um was ging es?«
    Ich errötete und senkte den Blick.
    Nephtys lachte hell auf.
    »Diese Art von Traum also. Ich glaube, das muss dich nicht beunruhigen. Erzähl mir von dem Jungen, um den es ging.«
    »Ich glaube nicht, dass es … diese Art von Traum war«, murmelte ich und suchte fieberhaft nach einer Möglichkeit, das Thema zu wechseln.
    »Machst du dir keine Sorgen um Kauket? Was, wenn Gorman …«
    »Er weiß, was er tut«, erwiderte Nephtys unsicher. Ich bemerkte, wie sehr sie das Thema belastete.
    »Weißt du, wenn Kauket mich fertig ausgebildet hat, werde ich das Wanifenhaus wieder verlassen. Dann musst du keine Angst mehr um ihn haben. Gorman ist schließlich nur hinter mir her.«
    Sie blickte mich aus ihren großen Augen an und lächelte vorsichtig. »Das ist sehr lieb von dir, Ainwa, aber weder ich noch Kauket werden dich so einfach deinem Schicksal überlassen. Du gehörst jetzt zu uns.«
    Ich erwiderte ihr Lächeln, auch wenn ich bezweifelte, dass Kauket das genauso sah.
    Am Ufer angekommen, spießten wir die Fische auf gegabelten Stöcken zum Trocknen auf. Nephtys’ Blick glitt immer wieder zur Felswand hinüber, in der der Eingang zur Höhle lag, aber Kauket kehrte an diesem Abend nicht ins Wanifenhaus zurück.
     
    Im Morgengrauen machte ich mich allein auf den Weg zum Kraftplatz und übte Wachsen. Ich erinnerte mich an die Mühelosigkeit, mit der Kauket den kleinen Eichenbaum außerhalb des Kraftplatzes hatte sprießen lassen, aber so sehr ich mich auch bemühte, meine Erfolge blieben bescheiden.
    Ich zwang mich, nicht zu viel darüber nachzudenken, was Kauket vorhatte und ob er nach Gorman suchen würde. Er war ein erfahrener Wanife und würde hoffentlich kein Risiko eingehen.
    Stattdessen fragte ich mich, wie es meinen Leuten in Ataheim ging. Gormans Verlust würde sicher noch immer an ihnen nagen. Vor allem mein Ziehvater bereitete mir Sorgen. Gormans angeblicher Tod hatte ihn gebrochen, und auch wenn ich ihm vermutlich nicht ganz so viel bedeutete, meine Abwesenheit bereitete ihm bestimmt Kummer. Er hatte sich immer zu mir bekannt, selbst als alle anderen mich geächtet hatten. Wahrscheinlich war es seinem Wort zu verdanken, dass man mich nach Gormans Unfall nicht davongejagt hatte.
    Was würde jetzt werden? Wen würde der Rat der Alten zu seinem Nachfolger ernennen? Es gab einige junge Jäger, die infrage kamen und einer der aussichtsreichsten war Weyref – wie ich mir zähneknirschend eingestehen musste.
    Dieser blöde Idiot. Ich musste mir unbedingt überlegen, wie ich ihm mit meinen Wanifenkräften einen Schreck einjagen konnte, sollte ich je nach Ataheim zurückkehren. Der Gedanke an seine ängstliche Miene zauberte ein Grinsen auf meine Lippen. Ich verlor die Konzentration und der dünne Grashalm, den ich gerade mühevoll hatte wachsen lassen, verdorrte augenblicklich wieder.
    Ich fluchte und atmete tief durch.
    Wenigstens Alfanger konnte noch hoffen, dass ich am Leben war, zumindest hatte er gesehen, wie ich das Dorf mit Rainelf verlassen hatte. Ich wünschte, er würde

Weitere Kostenlose Bücher