Die Wanifen
wissen, dass ich Gorman entkommen und die Urukus gefunden hatte. Der Misserfolg gerade eben hatte mir die restliche Lust am Wachsen verdorben und ich ließ mich seufzend auf einem der großen Steine nieder, die den Kraftplatz begrenzten. Gedankenverloren scharrte ich mit meinem Stab im Waldboden.
Ich würde bestimmt größere Fortschritte machen, wenn sich mein Seelengeist endlich blicken ließe. Schaudernd musste ich daran denken, wie tot das Zeichen unter dem Einfluss der Pilze ausgesehen hatte.
Nun, Kauket kannte vermutlich einen Weg, meinen Seelengeist aufzuspüren, das hoffte ich wenigstens. Auch wenn es sich um einen sanften Geist handelte, vielleicht konnte er mir trotzdem helfen, eine Meisterin des Heilens zu werden.
Seit ich den Pilzsud getrunken hatte, nahm dieser Wunsch immer mehr Platz in meinem Kopf ein. Kauket war, seinen eigenen Angaben zufolge, weit davon entfernt, ein Heilmeister zu sein. Das bedeutete, für einen Heilmeister könnte es Wege geben, Gorman zu retten, die Kauket nicht kannte. Ich müsste nur erst auf diese Weise sehen lernen, vielleicht … vielleicht könnte ich den Geist des Kelpis dann aus Gormans Körper herausholen – oder so ähnlich.
Als ich wieder ins Dorf zurückkehrte, erwartete mich Kauket bereits. Er saß im Schneidersitz am Seeufer und starrte mit unbewegter Miene auf das Wasser hinaus.
»Du warst üben?«
Ich nickte vorsichtig.
»Hast du Gorman gesehen?«
Kauket antwortete nicht, sondern erhob sich. Erschrocken erkannte ich eine lange Risswunde auf seinem Unterarm. Er hatte sie bereits gereinigt und mit einer intensiv riechenden Paste beschmiert – Schafgarbe, vielleicht auch Gänseblümchen …
Die Form der Wunde sah seltsam aus, unregelmäßig, mit vier tiefen Löchern. Als hätte irgendein Tier seine Klauen in seinen Arm geschlagen.
Kauket verbarg seinen Arm rasch hinter dem Rücken, als er meine bestürzte Miene bemerkte.
»Kauket, ich könnte …«
»Was du tun könntest«, sagte er ruhig, »ist, mehr zu üben.«
Er machte eine auffordernde Handbewegung mit seinem unverletzten Arm und ich folgte ihm zurück zum Kraftplatz, auf dem er mich wachsen ließ, bis die Nacht hereinbrach.
Kauket verlor in den nächsten Tagen kein Wort darüber, was er erlebt hatte und wie er zu der furchtbaren Verletzung auf seinem Arm gekommen war. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass diese Wunde von Gorman stammte, aber ich glaubte auch nicht, dass Kauket das Opfer eines Tieres geworden war. Immer wenn ich ihn danach fragte, tat er so, als wäre ich überhaupt nicht da – das sicherste Rezept, mich vor Wut rasend zu machen. Auf jeden Fall wurde es mir nach einiger Zeit zu dumm, und ich ließ die Sache auf sich beruhen. Es gab ohnedies andere Dinge, die meine Aufmerksamkeit erforderten: Kauket bildete mich auch im Heilen aus, Tag und Nacht. Ähnlich wie Alfanger beschrieb er mir Krankheiten oder Verletzungen und ich musste ihm erklären, was für Kräuter oder Heiltechniken ich anwenden wollte, um sie zu heilen. Alfanger hatte mir viel beigebracht und ich konnte fast alle von Kaukets Fragen beantworten. Trotzdem stellten meine Antworten ihn nicht zufrieden. Ständig drängte er mich, gründlicher über die Aufgaben nachzudenken, die er mir stellte. Als ich nach vielen Stunden des Übens noch immer nicht begriffen hatte, was er meinte, verlor er irgendwann die Geduld mit mir.
»Vergiss endlich, was du gelernt hast«, fuhr er mich an. »Hier drinnen«, er klopfte sich auf die Brust, »musst du fühlen, was richtig ist.«
Ich widersprach nicht und versuchte, seinen Rat zu beherzigen. Aber so sehr ich auch in mich hineinhorchte, ich konnte nur die Antworten geben, die ich in den Jahren bei Alfanger gelernt hatte.
Ich war zwar zu stolz, um es zuzugeben, aber es tat weh, Kaukets Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Er schien nicht zu bemerken, wie sehr ich mich anstrengte. Mit der Zeit schwand meine Hoffnung, jemals eine Heilmeisterin zu werden. Anscheinend war ich im Heilen noch hoffnungsloser als im Wachsen.
Kauket zeigte mir andere Techniken, die man zum Heilen einsetzen konnte. Ich lernte, Punkte zu finden, die man durch Druck oder den Stich dünner Knochennadeln so verändern konnte, dass sie den Energiefluss des Körpers normalisierten. Ich war relativ gut darin, die verschiedenen Stich- und Drucktechniken auszuführen, aber, wenn es darum ging, die richtigen Punkte auszuwählen, verlor er wieder schnell die Geduld mit mir.
Langsam wurde es wärmer und bald
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