Die Washington-Akte
abgesehen von dem wenigen, was ich vorhin erzählt habe, wissen die anderen nichts von meiner Verbindung zur NIA . Und bis wir einen Erfolg vorweisen können, möchte ich ihnen auch nicht mehr davon mitteilen. Ich bitte Sie, das vorläufig geheim zu halten. Im Gegensatz zu dem, was meine Mitkapitäne glauben, werde ich sie nicht im Stich lassen, obwohl ich das weiß Gott tun sollte. Sie sind ein undankbarer, dummer Haufen. Aber ich nehme meinen Eid auf die Artikel ernst. Wenn wir Erfolg haben, ist uns allen geholfen.«
Knox war das vollkommen gleichgültig, aber er tat so, als wäre er ganz Ohr. »Eines interessiert mich noch. Woher wussten Sie, welches Glas Sie auswählen mussten?«
»Wieso glauben Sie denn, dass ich das wusste?«
»Sie sind kühn, aber nicht töricht. Wenn jemand wie Sie diese Herausforderung ausspricht, muss er wissen, dass er gewinnen kann.«
»Mein Vater hat mich einen Kniff gelehrt«, antwortete Hale. »Wenn man das Glas leicht schwenkt, entmischt sich das Gift und trübt den Alkohol. Es dauert nur einen Augenblick, aber wenn man genau aufpasst, kann man es sehen. Ich habe vor dem Trinken mit jedem Glas hantiert. Gewiss, narrensicher ist es nicht, aber besser als blindes Glück.«
»Das hat Mut erfordert«, sagte Knox nicht ohne eine gewisse Bewunderung.
Hale lächelte in sich hinein. »Das kann man wohl sagen.«
Wyatt stieg in Bostons Logan International Airport in eine Maschine der Air Canada. Er war von Richmond, Virginia, hergeflogen und hatte nun seit beinahe zwei Stunden Aufenthalt. Ein schlimmes Unwetter verzögerte jeden Flug, und er fragte sich, ob seine eigene Maschine überhaupt demnächst starten würde. Die Flugzeit nach Halifax, Nova Scotia, betrug weitere zwei Stunden, so dass er Mitte des Nachmittags dort landen dürfte – vorausgesetzt, es gab keine zusätzlichen Verzögerungen. Mit etwas Glück würde er gegen siebzehn Uhr auf Paw Island sein. Er hatte sich über das Wetter informiert: Die Temperatur sollte bei einundzwanzig Grad liegen. Jetzt, im September, hatte in der Gegend eine Hitzewelle in Verbindung mit großer Trockenheit geherrscht. Notfalls würde er auf der Insel schlafen und erst morgen zu einem Ende kommen. Auf die eine oder andere Weise würde er schließlich mit den fehlenden Seiten von dort aufbrechen.
Er war mit einer Ausrüstung von Leuchtgranaten, Pistolen und Munition nach New York gekommen, aber sein Reisepass würde ihm nichts nützen. Die Polizei konnte die Fluggastlisten mit einem einfachen Mausklick überprüfen.
Daher brauchte er eine andere Identität.
Er war also gezwungen gewesen, eine Abmachung mit Carbonell zu treffen.
Die Hälfte seines verdreifachten Honorars war wie versprochen auf sein Konto in Liechtenstein überwiesen worden. Eine Menge Geld und steuerfrei. Aber es waren große Risiken damit verbunden. Die größte Gefahr barg sein Umgang mit Carbonell. Sie hatte ihn falsch angefasst. Hatte Gefühle in ihm geweckt, die er lange für gut unterdrückt gehalten hatte. Er war ein amerikanischer Geheimdienstagent. Das war er immer gewesen und würde er immer bleiben.
Das bedeutete ihm etwas.
Im Gegensatz zu dem, was Carbonell zu glauben schien.
Er nahm ihre gefühllose, selbstsüchtige Art übel. Es war nicht richtig, dass sie Chefin eines Geheimdienstes war. Die Agenten im Außendienst mussten wissen, dass ihre Vorgesetzten ihnen den Rücken freihielten. Die Dinge waren auch so schon gefährlich genug, da wollte ein Agent sich nicht auch noch Sorgen machen müssen, ob sein Chef sein Leben unnötig in Gefahr brachte.
Man musste ihr Einhalt gebieten.
Und deshalb kämpfte er hier weiter.
Und Malone? Der Zugang zu Captain America hatte in Monticello geendet. Malone mischte nicht mehr mit. Wyatt würde auf eine andere Gelegenheit warten müssen.
Das hier würde Wyatts eigener Sieg sein, ganz allein seiner.
Er hatte sich für einen Linienflug entschieden, um weniger Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Nach der Landung würde er ein Auto mieten und die fünfzig Meilen südwärts zur Mahone Bay fahren. Er hatte sich passende Outdoor-Kleidung gekauft. Alles, was er sonst noch brauchte, konnte er nach der Landung besorgen. Die Halbinsel Nova Scotia war ein Mekka für Outdoor-Begeisterte und bot Betätigung für Radfahrer, Golfspieler, Wanderer, Kajakfahrer, Ruderer und Vogelbeobachter. Da Sonntag war, würden vielleicht nicht alle Läden geöffnet sein, aber er würde schon zurechtkommen. Leider war er nicht bewaffnet. Es war
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