Die Washington-Akte
Jahrhunderten, als meine Vorfahren noch Gefangene machten, hatten sie eine einfache Methode, ihnen die Wahrheit zu entlocken. Soll ich sie Ihnen erklären?«
Cassiopeia beobachtete Quentin Hale, in dessen Augen ein Feuer glühte. In der einen Hand hielt er eine Pistole und schwang sie so drohend wie ein Entermesser.
»Er nimmt diesen Piratenmist ernst«, flüsterte Stephanie. »Ich habe beobachtet, wie er noch einen anderen Mann gefoltert hat.«
Hale wandte sich ihnen zu. »Flüstern Sie dort drüben? Sprechen Sie doch laut, damit wir alle Sie hören können.«
»Ich sagte, ich habe gesehen, wie Sie einen anderen Mann verstümmelt und dann in den Kopf geschossen haben.«
»So halten wir es mit Verrätern. Kennen Sie vielleicht die Antwort auf die Frage, was meine Vorfahren früher mit ihren Gefangenen angestellt haben?«
»Mein Wissen über Ihren Familienstammbaum reicht nicht weiter als bis zu Piraten der Karibik . Am besten, Sie klären uns auf.«
Shirley Kaiser stand stumm da, aber Cassiopeia sah den Hass in ihren Augen. Diese Frau hatte bisher nicht das geringste Anzeichen von Angst erkennen lassen. Erstaunlich. Einen solchen Mut hatte Stephanie nicht erwartet.
Hale sah sie an. »Es gibt ein vor langer Zeit geschriebenes Buch, das mir ganz besonders zuwider ist. Eine Allgemeine Geschichte der Piraten. Zum größten Teil ist es Müll – reine Fiktion –, aber es gibt darin einen Punkt, dem ich zustimme. Wie ihr Schutzherr, der Teufel, machen Piraten böse Taten zu ihrem Sport, Grausamkeit zu ihrem Spiel und beschäftigen sich ständig damit, Menschen Unheil zu bringen. «
»Ich dachte, ihr wärt tugendhafte Kaperfahrer gewesen, die Amerika gerettet haben«, sagte Shirley.
Er starrte sie wütend an. »Ich bin, was ich bin. Was ich aber definitiv nicht empfinde, ist Scham auf mein Erbe.« Er zeigte mit der Pistole auf den Gefangenen, der sich mit ihm in der Zelle befand. »Der hier ist mein Feind, ein Angestellter der Regierung. Verwaltungsangehörige zu foltern war damals akzeptabel und ist es bis heute geblieben.« Er wandte sich wieder dem Gefangenen zu. »Ich warte auf eine Antwort.«
Es kam noch immer nichts.
»Dann schulde ich Ihnen eine Erklärung. Schaffen Sie ihn dort hinüber.«
Die beiden Männer und Hale schleppten den Gefangenen auf eine freie Fläche vor den Zellen. Drei kräftige Holzpfeiler, die in zehn Meter Abstand voneinander standen, trugen das obere Geschoss. In Eisenhaltern steckende Kerzen liefen um den mittleren Pfeiler herum.
Die Sperrholzplatte, die als improvisierte Haustür diente, wurde aufgestoßen, und sieben Männer traten ein. Sechs von ihnen trugen in beiden Händen Messer, Heugabeln und Schaufeln. Der siebte hatte eine Geige dabei. Der Gefangene wurde zu dem mittleren Pfeiler mit den brennenden Kerzen gestoßen. Die sechs Männer stellten sich mit einem Meter Abstand im Kreis um ihn auf, so dass er nicht fliehen konnte.
Hale sagte: »Das hier heißt die Schwitzkur. In den ruhmreichen Tagen hat man die Kerzen am Besanmast angebracht. Darum herum versammelten sich damals Männer mit spitzen Schwertern, Federmessern, Gabeln oder anderen spitzen oder scharfen Instrumenten in beiden Händen. Der Missetäter betritt den Kreis. Der Geiger spielt ein Tänzchen, und der zu Bestrafende rennt im Kreis herum, während alle Männer nach ihm stechen. Die Hitze der Kerzen macht dem Gejagten zu schaffen. Daher heißt es die Schwitzkur. Die Erschöpfung macht sich bemerkbar, und die Männer gewinnen die Oberhand und stoßen ihre Klingen immer tiefer. Schließlich …«
»Ich schaue dem nicht zu«, sagte Stephanie.
»Sie werden zuschauen«, stellte Hale klar. »Oder Sie sind als Nächste dran.«
Wyatt wartete darauf, dass Carbonell Funkkontakt zu den beiden Männern aufnahm, die sie im Fort aufgestellt hatte. Oder hatten diese Leute vielleicht schon ihre Befehle, und Carbonell ging davon aus, dass sie wussten, was zu tun war? Die Männer, denen er den Hals gebrochen hatte, hatten Waffen und Funkgeräte bei sich getragen, und er hatte diese den Leichen abgenommen. Jetzt hatte er ein Funkgerät in der Hand, doch der Ohrhörer blieb stumm. Er hatte schon lange niemanden mehr mit bloßen Händen getötet. Leider war es nötig gewesen. Er hatte die Leichen in der Nähe der Stelle versteckt, an der Knox ins Fort zurückgekehrt war. Vielleicht hatte er sie gefunden.
Der Feind meines Feindes ist mein Freund.
Das war zwar ein furchtbares Klischee, hier aber zutreffend.
Carbonell hatte
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