Die Washington-Akte
bewaffnet war. Als er ihren Helfer getötet hatte, hatte er seinen Standort verraten. Jetzt bearbeitete sie wahrscheinlich ihr Funkgerät und versuchte, die anderen beiden Männer zu kontaktieren, die sie vorher hier aufgestellt hatte.
Ihre Asse im Ärmel.
Ihr Plan, der alle Eventualitäten vorsah.
Während Carbonell und ihre Begleiter ihn ablenkten, würden die beiden Leute, die schon vor Ort gewesen waren, ihn erledigen. Offensichtlich hatte sie Knox gefangen genommen und hergebracht, um auch mit diesem Problem aufzuräumen.
Arme Andrea.
Diesmal nicht.
Cassiopeia trat zwischen den Eichen beim Pier hervor. Der lange Holzsteg war nicht beleuchtet; Hales Slup war noch immer an seinem Ende festgebunden. Das Boot musste zumindest teilweise bemannt sein. Es war unwahrscheinlich, dass man eine so große Jacht bei einem Sturm unbeaufsichtigt ließ. Cassiopeia winkte den beiden Frauen, und sie rannten zu der Leiter, über die Cassiopeia das Gelände zuvor betreten hatte. Unten wartete ihr Boot und hüpfte auf den Wogen. Sie kletterten hinunter und lösten die Leinen.
So weit, so gut.
Sie würde den Motor anwerfen müssen, aber erst wenn Wind und Strömung sie in den Fluss hinausgetragen hatten.
Auf dem Pier leuchtete ein Licht auf.
Strahlend wie die Sonne. Es blendete sie.
Sie hob den Arm, um ihre schmerzenden Pupillen abzuschirmen.
Sie griff nach ihrer Waffe und sah, dass Stephanie und Shirley die ihren bereits erhoben hatten.
»Das wäre dumm«, übertönte eine Männerstimme aus einem Lautsprecher den Sturm. »Wir haben Gewehre auf Sie gerichtet. Ihr Motor wurde unbrauchbar gemacht, und das Boot ist von unten am Pier festgebunden. Sie können dort sterben, wenn Sie wollen. Oder …«
»Das ist Hale«, sagte Shirley.
»Sie können an Land kommen.«
»Wir können uns schwimmend in Sicherheit bringen«, meinte Cassiopeia.
Aber auf dem Fluss tauchte ein weiteres Licht auf und näherte sich ihnen.
Aus Sorge wurde Angst.
»Meine Männer sind fähige Seeleute«, erklärte Hale. »Sie kommen mit diesem Sturm zurecht. Sie, meine Damen, können nirgendwohin.«
Knox kroch zu dem Toten hinüber und fand eine Pistole mit einem Ersatzmagazin in seiner Jackentasche.
Es war gut, bewaffnet zu sein.
Er stieg wieder nach unten, aber nicht bis zum Erdgeschoss. Vielmehr trat er ein Stockwerk darüber in einen dunklen Gang. Er passierte einen kurzen Korridor und betrat einen engen Raum, dessen aufs Meer gehende Außenwand eingestürzt war. Ganz kurz ließ er die beruhigende Wirkung des Windes auf sich zu. Nur der Gestank des Vogelmists störte den Frieden. Er wollte gerade wieder gehen, als ihm etwas zu seiner Rechten hinter einem Trümmerhaufen ins Auge fiel.
Ein Bein.
Er schlich sich hin.
In seiner Nähe regte sich Unruhe unter einigen Vögeln.
Allmählich sah er deutlicher.
Zwei Beine, lang ausgestreckt. Ein Paar Schuhe mit Gummisohlen.
Knox blickte über den Trümmerhaufen hinweg.
Dahinter lagen zwei Männer. Ihre Hälse waren gebrochen, die Köpfe standen in sonderbaren Winkeln ab, die Münder waren aufgerissen. Neben den Leichen lag eine Taschenlampe. Jetzt wusste er, warum Wyatt so mutig war.
Er hatte Carbonells Helfer eliminiert.
Nun waren nur noch sie drei da.
76
North Carolina
Hales Falle für die Flüchtigen war zugeschnappt, und jetzt saßen sie alle in sicherem Gewahrsam in seinem Gefängnis. Der Regen draußen hatte nachgelassen, fiel aber noch immer, und eine steife Brise aus Südosten trieb Tropfen durch die zerstörten Scheiben. Zahlreiche Männer waren damit beschäftigt, die leeren Fensterrahmen mit Sperrholz zu vernageln. Auch die Tür war durch eine improvisierte Sperrholzplatte ersetzt worden. Auf dem Anwesen herrschte Alarmstufe eins. Beinahe hundert Mann waren dem spätnächtlichen Ruf gefolgt. Während seine Leute Patrouillengänge über das Anwesen unternahmen, hatte Hale den gefangenen Angreifer zur Befragung bereitmachen lassen. Seine drei weiblichen Gefangenen hatte er in einer Nachbarzelle untergebracht, damit sie alles verfolgen konnten.
Von zweien seiner Männer gefolgt, betrat er die Zelle des Gefangenen. »Ich möchte die Antwort auf eine einfache Frage. Wer hat Sie geschickt?« Der Mann, eher dick und mit nassem, strähnigem schwarzem Haar und einem Schnurrbart starrte zu ihm zurück.
»Ihre Kameraden sind tot. Möchten Sie dasselbe Schicksal erleiden?«
Keine Antwort.
Er hatte beinahe gehofft, dass dieser Dummkopf sich als schwierig erweisen würde.
»Vor
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