Die Washington-Akte
Matt leuchteten die Sterne herunter.
Der Wind hatte recht.
Es war Zeit zu gehen.
35
Cassiopeia saß in Shirley Kaisers Wohnzimmer. Damals in Barcelona hatten ihre Eltern ein ähnliches Wohnzimmer besessen. Sie waren zwar Milliardäre gewesen, aber doch auch schlichte Menschen, die zurückgezogen gelebt und sich ganz der Familie und dem eigenen Konzern gewidmet hatten. Nie hatte sie gehört, dass einer der beiden auch nur andeutungsweise in einen Skandal verwickelt gewesen wäre. Sie schienen ein beispielhaftes Leben zu führen, und beide waren mit über siebzig im Abstand von nur wenigen Monaten verstorben. Cassiopeia hatte immer gehofft, einmal jemanden zu finden, dem sie sich genauso ehrlich hingeben könnte.
Nun ja, vielleicht war ihr das mit Cotton Malone ja gelungen.
Im Moment war sie allerdings mit der Frau beschäftigt, die ihr gegenübersaß und die, ganz anders als ihre Eltern, viele Geheimnisse hatte.
Beginnend mit hundertfünfunddreißig Telefongesprächen.
»Quentin Hale ist mein Lover«, sagte Kaiser.
»Wie lange schon?«
»Mehr oder weniger intensiv seit einem Jahr.«
Cassiopeia hörte sich an, was Kaiser ihr erklärte. Hale war verheiratet und hatte drei erwachsene Kinder. Seit einem Jahrzehnt war er von seiner Frau getrennt – sie lebte in England, er in North Carolina. Kaiser und Hale waren sich bei einer gesellschaftlichen Veranstaltung begegnet und hatten sich sofort gemocht.
»Er hat darauf bestanden, dass unsere Beziehung geheim bleibt«, sagte Kaiser. »Ich dachte, er mache sich Sorgen um meinen Ruf. Jetzt sehe ich, dass er vielleicht ganz andere Gründe hatte.«
Cassiopeia stimmte ihr zu.
»Ich bin eine Idiotin«, sagte Kaiser. »Ich habe mich in einen richtigen Schlamassel reingeritten.«
Da konnte sie ihr nicht widersprechen.
»Ich hatte nie Kinder. Mein Mann … Er konnte nicht. Das hat mich aber nie übermäßig gestört. Ich wurde nie von irgendwelchen Mutterinstinkten überwältigt.« Ein leises Bedauern huschte über Kaisers Züge. »Aber jetzt, da ich älter werde, denke ich noch einmal neu über meine Haltung zu Kindern nach. Es ist manchmal einsam.«
Das konnte Cassiopeia nachvollziehen. Sie war zwar gut zwanzig Jahre jünger als Kaiser, aber auch sie hatte es manchmal als schmerzlich empfunden, nicht Mutter zu sein.
»Werden Sie mir erklären, was meine Beziehung zu Quentin mit dem Gerät zu tun hat, das wir draußen im Boden gefunden haben?«, fragte Kaiser. »Das wüsste ich gerne.«
Eine Antwort auf diese Frage konnte sich als schwierig erweisen. Aber da Cassiopeia klar war, dass sie die Kooperationsbereitschaft dieser Frau brauchen würde, beschloss sie, ehrlich zu sein. »Hale war möglicherweise in den Anschlag auf den Präsidenten verwickelt.«
Kaiser reagierte nicht. Stattdessen saß sie nachdenklich da.
»Wir haben oft über Politik geredet«, sagte Kaiser schließlich. »Aber ihm schien nicht viel daran zu liegen. Er hat Danny unterstützt und für beide Präsidentschaftswahlkämpfe große Summen gespendet. Er hatte nie etwas Schlechtes über ihn zu sagen. Im Gegensatz zu mir.« Die Worte klangen ausdruckslos, als redete Kaiser mit sich selbst, ordnete nur ihre Gedanken und bereitete sich auf die nächsten Fragen vor, die man ihr stel len würde. »Aber warum hätte er auch etwas Schlechtes über ihn sagen sollen? Er wollte sich ja mein Vertrauen erwerben.«
»Wem genau haben Sie von dem Ausflug nach New York erzählt?«
»Nur Quentin.« Kaiser sah sie mit einem Ausdruck unverhüllter Angst an. »Wir haben oft über Pauline geredet. Sie müssen verstehen, Pauline und Quentin sind meine beiden engsten Freunde.«
Cassiopeia hörte den unausgesprochenen Kommentar.
Und einer hat mich betrogen.
»Wir haben vor ein paar Monaten darüber gesprochen, unmittelbar nachdem Pauline den Ausflug nach New York erwähnt hatte. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Pauline hatte nicht gesagt, dass die Reise ein Geheimnis bleiben sollte. Ich hatte keine Ahnung, dass sie nicht öffentlich angekündigt worden war. Pauline hat einfach nur erzählt, Danny werde anlässlich einer Pensionierungsfeier nach New York fliegen.«
Hale war also nicht entgangen, wie entscheidend es war, dass das Weiße Haus die Information zurückgehalten hatte, und er hatte beschlossen zu handeln.
»Ich brauche mehr Informationen über Sie und Hale«, sagte Cassiopeia. »Der Secret Service wird jedes Detail wissen wollen.«
»Es ist nicht kompliziert. Quentin ist in der besseren Gesellschaft
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