Die Washington-Akte
mit der First Lady telefonieren?«, fragte sie Kaiser. »Es muss jemand sein, dem bekannt ist, dass Sie sich häufig und vertraulich unterhalten.«
»Danny Daniels weiß Bescheid. Wer zum Teufel wohl sonst noch?«
Cassiopeia erhob sich vom nassen Boden, kam zwischen den Büschen hervor, die die Garage umstanden, und trat auf Kaiser zu.
»Der Präsident ist es nicht«, sagte sie flüsternd.
»Er weiß, dass Pauline und ich uns nahestehen.«
»Sind Sie verheiratet?«
Die Frage schien Kaiser zu überraschen. Edwin Davis hatte Cassiopeia von Kaisers Haus und Nachbarschaft berichtet und ihr erzählt, dass Paulines Freundin sowohl in Virginia als auch in der Hauptstadt gesellschaftlich verkehrte. Sie engagierte sich sehr für soziale Belange und saß sowohl im Aufsichtsrat der Library of Virginia als auch in mehreren Beratungsgremien des Bundesstaats. Aber über ihr Privatleben hatte er nicht viel gesagt.
»Ich bin Witwe.«
»Mrs. Kaiser, jemand hat heute versucht, den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu ermorden. Jemand, der genau wusste, wann er in New York sein würde und wo. Ihr Telefon wird abgehört. Sie müssen meine Fragen beantworten. Wer könnte gewusst haben, dass sich das lohnt? Entweder Sie reden mit mir, oder ich rufe den Secret Service, und Sie können sich mit denen unterhalten.«
»Pauline steht am Rande eines Nervenzusammenbruchs«, sagte Kaiser. »Ich höre das nun schon seit Wochen ihrer Stimme an. Sie macht schon viel zu lange die Hölle durch. Was gerade mit Danny geschehen ist, könnte ihr den letzten Rest geben. Wenn Sie sie weiter unter Druck setzen, wird sie zerbrechen.«
»Dann braucht sie professionelle Hilfe.«
»Das ist nicht einfach, wenn man die First Lady ist.«
»Es ist ohnehin nicht leicht für eine Frau, die ihrem Mann die Schuld am tragischen Tod ihrer Tochter geben will. Für eine Frau, die nicht den Mut hat, diesen Mann zu verlassen, sondern bleibt, alles in sich hineinfrisst und ihm die Schuld an ihrem verkorksten Leben gibt.«
»Sie sind wohl eines von Dannys Groupies?«
»Yep. Ich liebe mächtige Männer. Das macht mich an.«
Kaiser bemerkte ihren Sarkasmus. »Das hatte ich nicht gemeint. Er wirkt auf Frauen. Vor ein paar Jahren hat man eine Umfrage gemacht, und beinahe achtzig Prozent der Frauen waren für ihn. Da sie die Mehrheit der Wähler stellen, ist leicht zu verstehen, dass er nie eine Wahl verloren hat.«
»Warum verabscheuen Sie ihn?«
»Das tue ich gar nicht. Aber ich mag Pauline sehr, und ich weiß, dass sie ihm vollkommen gleichgültig ist.«
»Sie haben meine Frage noch immer nicht beantwortet.«
»Und Sie meine auch nicht.«
Cassiopeia hatte etwas für starke Frauen übrig. Sie war selbst eine. Sie nahm an, dass Kaiser das Talent hatte, einfach sie selbst zu sein – gelassen und natürlich –, fraglos zu geben und zu nehmen und nie weit über das Hier und Jetzt hinauszudenken. Sie hatte gehofft, dass sie hier nichts finden würde. Dass das Ganze sich als Sackgasse erweisen würde. Leider war das nicht der Fall gewesen.
»Pauline hat immer jemanden gebraucht, mit dem sie reden konnte«, erklärte Kaiser. »Einen Menschen, dem sie vertrauen konnte. Seit vielen Jahren bin ich das für sie. Seit sie ins Weiße Haus gezogen ist, ist das sogar noch wichtiger für sie geworden.«
»Nur dass man Ihnen nicht vertrauen kann.«
Cassiopeia sah, dass Kaiser die Bedeutung dessen begriff, was da ein oder zwei Meter entfernt im Boden lag.
»Wer wusste sonst noch über den Ausflug nach New York Bescheid?«, fragte sie erneut.
»Das kann ich nicht sagen.«
»Okay. Wir können das auch anders machen.«
Sie holte ihr Handy hervor und drückte die Kurzwahltaste für das Weiße Haus. Zweimal Läuten, dann nahm ein Mann das Gespräch an.
»Tun Sie es«, wies sie ihn an und legte auf.
»Ein Secret-Service-Agent steht wegen Ihres Festnetz- und Ihres Handyanschlusses in Kontakt mit Ihrer Telefongesellschaft. Sie haben zwei Verträge. Die Telefongesellschaft hat bereits eine Auskunftsanordnung erhalten, und die Informationen liegen bereit. Unter den gegebenen Umständen wollten wir Ihre Privatsphäre nur stören, wenn es wirklich nicht anders ging.«
Ihr Handy läutete. Sie nahm ab, hörte zu und legte auf.
Die Niederlage stand Shirley Kaiser im Gesicht geschrieben.
Mit gutem Grund.
»Erzählen Sie mir von den hundertfünfunddreißig Telefongesprächen zwischen Quentin Hale und Ihnen.«
Hale betrat ein Gebäude, das früher einmal als Außenküche und
Weitere Kostenlose Bücher