Die Washington-Akte
Räucherkammer gedient hatte. Jetzt wurde das Haus mit seinen Kiefernholzwänden, Schiebefenstern und der Glaskuppel von allen vier Familien als Versammlungssaal genutzt. Die sechzehn Mitglieder der Adventure -Crew, darunter auch der Kapitän der Jacht, waren aus dem Schlaf gerissen worden. Die meisten lebten bis zu einer halben Fahrstunde von Hales Anwesen entfernt auf Land, das ihre Familien vor Generationen gekauft hatten. Er konnte nicht begreifen, dass einer von ihnen sein Erbe verraten hatte.
Aber so war es offensichtlich gewesen.
Alle sechzehn Männer, die vor ihm standen, hatten die derzeit gültigen Artikel unterschrieben und für ihren Anteil an der Beute des Commonwealth Loyalität und Gehorsam gelobt. Gewiss, ihr jeweiliger Anteil war klein, aber in Verbindung mit einer Krankenversicherung, einer Arbeitsunfallversicherung und einer Arbeitsunfähigkeitsversicherung konnten sie gut und sicher davon leben.
Er bemerkte die Verwirrung in ihren Gesichtern. Es war zwar nicht ungewöhnlich, dass es auch einmal mitten in der Nacht eine Aktion gab, aber es kam an Land eigentlich nie vor, dass dafür die ganze Besatzung erforderlich war.
»Wir haben ein Problem«, erklärte er ihnen.
Er beobachtete ihre Gesichter, taxierte sie und rief sich in Erinnerung, wer die vier Männer gewesen waren, die den Galgenkäfig hochgehoben und den schreienden Buchhalter ins Meer geworfen hatten.
»Einer von Ihnen ist ein Verräter.«
Er wusste, dass er mit diesen Worten ihre Aufmerksamkeit für sich hatte.
»Heute waren wir alle in eine Mission verwickelt, die für die ganze Gesellschaft von großer Bedeutung war. Ein Verräter ist gestorben, und einer von Ihnen hat das Schweigen gebrochen, das zu bewahren wir alle geschworen haben.«
Keiner der sechzehn erwiderte etwas. Dafür wussten sie zu gut, wie es lief. Der Kapitän redete, bis er selbst sie zum Sprechen aufforderte.
»Der Gedanke, dass einer von Ihnen uns verraten hat, macht mich traurig.«
Denn so betrachtete Hale seine Welt. Sie waren ein wir. Eine große Schiffsmannschaft, die auf Loyalität und Erfolg beruhte. Vor langer Zeit hatten Piratenschiffe gelernt, schnell und geschickt zuzuschlagen. Die Besatzung funktionierte als eine aufeinander eingespielte Gemeinschaft. Faulheit, Unfähigkeit, Illoyalität und Feigheit wurden nicht geduldet, da sie alle gefährdeten. Sein Vater hatte ihn gelehrt, dass die besten Pläne einfach waren. Sie waren leicht zu verstehen, aber so flexibel, dass man auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren konnte.
Und sein Vater hatte recht gehabt.
Hale ging auf und ab.
Kapitäne mussten immer kühne und wagemutige Taktiker sein. In Missachtung einer Seefahrertradition, in der die Führung ohne Rücksicht auf die Kompetenz vergeben wurde, wurden sie bei den Piraten von der Crew gewählt.
Aber heutzutage galt das nicht mehr.
Die Kapitäne erbten ihre Macht. Er stellte sich oft vor, wie es gewesen wäre, damals am Ruder eines dieser Schiffe zu stehen und einer Beute tagelang in sicherer Entfernung zu folgen, während er ihre Stärken und Schwächen abschätzte. Wenn das Zielobjekt sich als mächtiges Kriegsschiff erwies, konnte man den Kurs ändern und sich eine schwächere Beute suchen. Wenn das Schiff dagegen verwundbar wirkte, konnte man es entweder überrumpeln oder durch einen frontalen Angriff besiegen.
Es gab Entscheidungsmöglichkeiten.
Die man einer geduldigen Herangehensweise verdankte.
Und so würde er auch heute Abend vorgehen.
»Keiner von Ihnen wird diesen Raum verlassen, bis ich den Verräter gefunden habe. Wenn der Tag anbricht, wird man Ihre Bankkonten überprüfen, Ihre Häuser durchsuchen und Ihre Telekommunikationsdaten anfordern. Sie werden alle Vollmachten unterzeichnen, die dazu nötig sind, und jede erforderliche Erlaubnis erteilen …«
»Das wird nicht nötig sein.«
Die Unterbrechung überraschte Hale, doch dann bemerkte er, dass die Stimme Clifford Knox gehörte, der gerade eingetreten war.
Für ihn als Quartermeister galt das Schweigegebot nicht.
»Ich weiß, wer der Verräter ist.«
34
Maryland
Malone hechtete in das zwei Meter entfernte Büro. Die auf ihn abgeschossene Kugel schlug in die Wand ein. Weitere Geschosse zischten durch die Luft. Er machte seine Waffe bereit und ging hinter dem Schreibtisch in Deckung. Doch aus dem Korridor hörte er nur noch das Zufallen der Tür.
Der Mann war verschwunden.
Eine Explosion ließ die Fenster erbeben. Gleich darauf sign alisierte ein flackernder
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