Die Washington-Akte
wohlbekannt. Er ist ein begeisterter Segler. Er hat zweimal am America’s Cup teilgenommen. Er ist reich, gut aussehend und charmant.«
»Weiß Pauline von ihm?«
Kaiser schüttelte den Kopf. »Ich habe diese Beziehung für mich behalten. Es war nicht nötig, ihr davon zu erzählen.«
Mit ihrem großspurigen Auftreten war es vorbei, und da sie jetzt zunehmend begriff, was eigentlich wirklich passiert war, klang ihre Stimme immer zerknirschter.
»Er hat Sie benutzt.«
Cassiopeia konnte sich nur vorstellen, welche Emotionen jetzt in der älteren Dame brodeln mochten.
»Miss Kaiser …«
»Können wir nicht Shirley und Cassiopeia zueinander sagen? Ich habe das Gefühl, wir werden uns noch öfter sehen.«
Cassiopeia hatte es ebenfalls. »Ich werde über alles hier Bericht erstatten müssen, aber es wird im engsten Umkreis des Präsidenten bleiben. Deswegen bin ich hier und nicht der Secret Service. Ich habe aber einen Vorschlag für Sie. Hätten Sie nicht Lust, Hale den Gefallen zu erwidern?«
Cassiopeia hatte bereits darüber nachgedacht, wie das zu bewerkstelligen wäre. Schließlich besaßen sie jetzt eine Möglichkeit, Hale aus dem Schatten herauszulocken. Was wäre dazu besser geeignet als eine Informationsquelle, die er unter Kontrolle zu haben meinte?
»Das würde mir gefallen«, antwortete Kaiser. »Wirklich.«
Aber etwas beunruhigte Cassiopeia noch immer. Nämlich das, was Pauline Daniels gesagt hatte. Ich will nicht, dass mein Mann mit meiner Freundin spricht. Pauline hatte Angst vor etwas, das Kaiser über sie wusste. Etwas, das vielleicht nicht geheim bleiben würde, wenn Fragen gestellt würden.
Und plötzlich begriff sie, worum es sich dabei handelte.
»Die First Lady hat eine Affäre, richtig?«
Die Frage überrumpelte Kaiser nicht. Es war, als hätte sie sie erwartet.
»Nicht so ganz. Aber es kommt dem nahe.«
Malone stieg aus seinem Wagen, der unter dem überdachten Eingang des Jefferson hielt, des eindrucksvollsten Hotels der Stadt Richmond in Virginia. Der Jugendstilbau, der Ende des 19. Jahrhunderts errichtet worden war, lag ein paar Straßenzüge vom Parlament Virginias entfernt im Stadtzentrum. Seine große Lobby erinnerte an das »Vergoldete Zeitalter« der vorletzten Jahrhundertwende, und darin prangte eine weiße Marmorstatue von Jefferson selbst. Malone war schon mehrmals hier abgestiegen; er mochte das Haus. Außerdem gefiel ihm der sonderbare Blick, den ihm der Hotelpage zuwarf, als Malone ihm einen Fünfdollarschein und den Schlüssel des zerschossenen Wagens reichte.
»Meine Exfrau in spe hat mich gefunden.«
Obwohl es auf drei Uhr morgens zuging, war die Rezeption besetzt. Ein Zimmer war frei, aber bevor er nach oben ging, verschaffte er sich mit einem Trinkgeld von zwanzig Dollar Zugang zur verschlossenen Business-Lounge. Dort machte er die Tür zu, rieb sich die Schläfen, schloss die Augen und versuchte, einen freien Kopf zu bekommen. Er war vollkommen erschöpft, doch obgleich ihm das Risiko klar war, das er nun gleich eingehen würde, musste er es tun.
Er tippte auf die Tastatur ein und öffnete die E-Mail, die er sich selbst geschickt hatte.
Hale sah den Mann an, der des Verrats beschuldigt war. Er gehörte zur Crew der Adventure, war aber erst seit acht Jahren dabei. Obgleich er erst in der ersten Generation für seine Crew arbeitete, hatte Hale diesem Mann vertraut. Man hatte sofort eine Gerichtsverhandlung einberufen – ihr Vorsitzender war, wie in den Artikeln vorgeschrieben, der Quartermeister. Hale und die restliche Crew der Adventure bildeten die Jury.
»Mein Kontaktmann in der NIA hat damit angegeben, einen Spion bei uns zu haben«, sagte Knox. »Er hat alles über die heutige Hinrichtung an Bord der Adventure gewusst.«
»Was denn genau?«, fragte Hale.
»Dass Ihr Buchhalter am Grund des Atlantiks ruht. Die Namen der Besatzungsmitglieder, die ihn ins Meer geworfen haben, und die Namen aller anderen, die an Bord waren. Sie alle, einschließlich Sie selbst, sind des Mordes schuldig.«
Knox sah, dass die Jury bei diesen Worten zusammenschauderte, da nun alle in das Verbrechen verwickelt waren. Hier wurde im wahrsten Sinne des Wortes Recht gesprochen. Dies waren Männer, die zusammen lebten, kämpften, starben. Und richteten.
»Was haben Sie zu sagen?«, fragte Knox den Beschuldigten. »Streiten Sie die Anschuldigung ab?«
Der Mann erwiderte nichts. Aber dies hier war kein staatliches Gericht. Es gab keine Angeklagtenrechte. Sein Schweigen konnte und
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