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Die Wasser des Mars

Die Wasser des Mars

Titel: Die Wasser des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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läßt? Welches sind die Gründe für eine derartige Anziehung, die ich als unmoralisch empfinden muß, da sie gegen die einfachsten Grundregeln einer derart kleinen Gemeinschaft verstößt.
    Aber vielleicht muß man, um dieses Gefühl verspüren zu können, unter dieser Sonne geboren sein oder doch wenigstens Eltern besitzen, die unter ihr geboren sind.
    Und diese Menschen, die doch in vielen Beziehungen Sklaven der eigenen Gefühle waren, diese Menschen sollen es gewesen sein, die die engen Bahnen festlegten, in denen unser heutiges Leben verläuft?

    Ich hangele mich nach vorn zu den Versorgungskolonnen im Bug. Sie arbeiten längst wieder in der Nähe ihrer Optimalwerte. In einer dieser gläsernen Säulen wuchert eine blaugrüne Masse, ständig durchpulst von unserer Atemluft und von dem Wasser, das unsere Körper hundert-, nein, tausendmal durchfloß. Eine gigantische, formlose, sich ständig erneuernde Algenmutante, Aufbereitungsanlage unseres Atemgases und Nahrungsquelle.
    Daneben, ebenfalls glasumschlossen, eine hellbraune, klumpige Masse, die überdimensionale Leber eines Phantasiewesens, durchzogen von dem fädigen Myzel der Versorgungsleitungen, gesteuert von einem primitiven Kunsthirn, zuckend in peristaltischen Bewegungen, die Eiweißkolonne. Träge pulsiert gefühlloses Leben, Nahrung, Fleisch.
    Als ich zurückkomme in die Zentrale, schwebt Myriam vor dem aufgeschlagenen Buch. Sie hat die Arme auf die Tischplatte gelegt, hält sich am Umschlag der Chronik fest und läßt den Körper langsam auf- und abschwingen. Ihr Gesicht ist gerötet, und die Lippen sind ein wenig geöffnet und bewegen sich, als flüstere sie die Worte, die sie liest, leise mit.
    »Verrückt die Alten!« Sie schüttelt den Kopf, stößt sich vom Tisch ab und schwebt auf mich zu. Flüchtig berührt sie mich an der Schulter, haucht einen ebenso flüchtigen Kuß auf meine Wange und verschwindet lautlos.
    Sie hat die Stelle der Chronik aufgeschlagen, in der verzeichnet ist, wie Stasch die Bahnparameter bekanntgab, Tage, nachdem sich die Havarie ereignete.
    Sie hatten es nicht einfach gehabt, als sie versuchten, die Bahn einigermaßen genau zu bestimmen. Die Rakete verharrte weitab vom heimatlichen System scheinbar bewegungslos im Raum. Erst nach Tagen zeigte es sich, daß sie sich im Apogäum einer langgestreckten Ellipse befand und langsam begann, der Sonne entgegenzufallen.
    Erneut rief mein Urahn die Besatzung zusammen. Es muß ihn er staunt haben, als er erkannte, wie schnell sie sich mit den für sie ungewöhnlichen Bedingungen der Schwerelosigkeit abgefunden hatten. Sie alle bewegten sich sicher und mit gleitenden Bewegungen. Das Training, das sie vor dem Start absolviert hatten, begann sich auszuzahlen. Aber das minutiös aufgezeichnete, folgende Gespräch beweist, daß ihnen die körperliche Anpassung leichter fiel als die psychische. »Ich habe euch nichts Erfreuliches mitzuteilen«, erklärte ihnen der Astrogator Bernhard Stasch. »Aber ihr alle wißt schließlich bereits seit einigen Tagen, daß wir die Erde nie wieder erreichen werden. Wir befinden uns auf einer elliptischen Bahn, die uns erst nach rund zweihundert Jahren in die Nähe der Sonne führen wird.«
    »Uns?« Jemand lachte heiser.
    »Unsere Rakete!« präzisierte Stasch, ohne sich seine Verwirrung anmerken zu lassen. Sie nahmen es ruhig auf. Sie hatten damit gerechnet, es war kein Schlag mehr für sie.
    Günther Berger streckte sich in seinem Sessel, daß sich die elastischen Gurte über seiner Brust spannten. Den Fotografien nach zu urteilen, war dieser Berger ein Hüne von Gestalt, fast doppelt so breit, wie ich es bin, und dabei mindestens einen Kopf kleiner. »Wird die Rakete in der Sonne verglühen, Stasch?« fragte er.
    Der Astrogator nickte. »Wir laufen auf Kollisionskurs zur Sonne.«
    Berger hob nur die Schultern ein wenig, ohne jede Resignation. »Wir werden eine Lösung finden, denke ich«, sagte er. »Wofür werden wir eine Lösung finden?« fragte die heisere Stimme.
    Berger aber ging auf die Frage nicht ein. »Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen«, murmelte er. »Der unvorhergesehene Ortswechsel im Raum, dem unsere Rakete im Augenblick der Beschleunigung unterlag, muß geklärt werden.« 
    »Für wen muß er geklärt werden?«
    Da erst richtete sich Berger auf und blickte den Sprecher aus zusammengekniffenen Augen an. Es war einer der beiden Astronomen.
    »Für die Menschheit!« Bergers Stimme wurde lauter. »Die Rakete wird zurückkommen. Vielleicht

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