Die Wasser des Mars
wird sie in der Sonne verglühen. Wir aber werden eine Möglichkeit finden, der Erde die Ergebnisse unserer Arbeiten zu übermitteln, wir oder unsere Kinder.«
»Willst du Kinder in die Welt…« Dorit war aufgesprungen und schrie ihm die Worte ins Gesicht. »Willst du, daß in dieser Rakete, in diesem miesen, kleinen Blechkasten, Kinder geboren werden und sterben, ohne daß sie je etwas anderes gesehen haben als diese Wände.«
Sie schlug, sich mit einer Hand am Pult festhaltend, mit der anderen wütend gegen die weiche Bespannung der Kabine, und durch die fehlende Schwerkraft schwankte ihr Körper in heftigen Wellen, als schlüge sie sich selbst.
Berger nickte ungerührt. »Genau das will ich! Oder wißt ihr etwas Besseres? Wir werden eine kleine Welt sein, in der man lebt, arbeitet und stirbt… und in der man liebt«, setzte er leise hinzu.
Aber Dorit war von dem Gedanken des Gefährten zutiefst getroffen. »Nein!« rief sie. Und noch einmal: »Nein! Niemals wird ein Kind von mir sein Leben lang in diesem Gefängnis vegetieren müssen!«
Berger aber blieb ruhig. Wieder zuckte er nur die Schultern. »Es gibt noch mehr Frauen hier an Bord«, erklärte er, und er blickte sich im Kreis um, als träfe er bereits seine Wahl.
Nach diesem Gespräch müssen sie wohl tagelang diskutiert haben. Über moralische Grenzen und ethische Kategorien, über ihre Aufgabe und darüber, daß sie die Übermittlung ihrer Arbeitsergebnisse allseitig absichern müßten, daß es nicht ausreiche, ein Wrack ohne Besatzung zurück zur Erde zu schicken, ein Wrack, das in seinen Computern wichtigste Erkenntnisse gespeichert haben würde.
Sie sprachen von der Gefahr der psychischen Deformation der Menschen in der Einsamkeit des Alls, davon, daß der Mensch ein Wesen sei, das nur in der Gesellschaft existieren könne, in der Gesellschaft aller, und je länger sie debattierten, um so klarer wurden sie sich darüber, daß sie keinen Ausweg hatten.
Vielleicht diskutierten sie auch noch, als die schmale Dorit einen Knaben gebar, den sie Frank nannten, Frank Berger.
Gemeinsam arbeiteten die Alten eine Matrix aus, die die optimale genetische Kodierung der zu erwartenden neuen Generation garantieren sollte. Die strikte Einhaltung dieser Matrix allein konnte bei der beschränkten Anzahl der Erbträger einen Verfall der genetischen Strukturen verhindern. Und mit dieser Matrix wurde die Diskussion abgeschlossen.
Die folgende Generation benötigte rund fünfundzwanzig Jahre, um eine einigermaßen einleuchtende Erklärung für den Raumversatz zu finden. Sie prägten den Begriff der Korona-Annihilation, ein Wort, das auf ewig mit unseren Namen verbunden bleiben wird, ein klangvolles Wort: Korona-Annihilation.
Sie ermittelten, daß das Halo des Uranus seinen Ursprung einer Antimateriewolke verdankte, die der Planet eingefangen hatte und wie eine Schleppe hinter sich her zog, sie an den Grenzen der Atmosphäre kontinuierlich annihilierend.
Die Expedition Korona 1 präzisierte nicht nur die allgemein bekannten Zusammenhänge zwischen Materie und kosmischem Energiepotential, sie fand auch die vermuteten Zusammenhänge zwischen Materie und Raum.
Und so kamen die Menschen der zweiten Generation zu der zuerst absurd anmutenden Theorie, daß bei der Annihilation des aktivierten Treibstoffes mit der Antimaterieschleppe des Uranus keinerlei Bewegung des Raumschiffes stattgefunden habe, sondern daß zwischen Rakete und Planet durch die Korona-Annihilation aus Materie und Antimaterie neuer Raum entstanden sei.
So unwahrscheinlich diese Theorie zuerst anmutete, sie wurde in den folgenden Jahren experimentell bewiesen. Die Menschen der Expedition Korona 1 errichteten auf der Außenhaut ihres dahintreibenden Wracks Antimateriefallen und zerstrahlten die gewonnene Negativmaterie mit Hilfe kleinster aktivierter Massen, und das nahezu Wunderbare trat ein: Sie schufen neuen Raum. Verschwindend wenig im Vergleich zu dem sie umgebenden Kosmos zwar, aber immerhin nachweisbar. Und nun wußten sie, daß sie einen Weg gefunden hatten, der die Kosmonautik zur Überlichtgeschwindigkeit führen würde, vorausgesetzt, sie fanden noch die Möglichkeit, der Menschheit die Ergebnisse der Arbeiten zu übermitteln.
In diese Zeit fiel die zweite und entscheidende Wandlung der Chronik. Der blumige und romanhafte Stil meines Urahns wurde abgelöst durch kurze, ethische Betrachtungen über den Sinn des Lebens der Expeditionsmitglieder, über den Wert der Aufgabe, die sie zu
Weitere Kostenlose Bücher