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Die Wasser des Mars

Die Wasser des Mars

Titel: Die Wasser des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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Kopfstück des Raumschiffs mit den Treibstoffbehältern.
    Noch glaubte er den Instrumenten nicht, denn er hielt es für unmöglich, daß die Rakete den gesamten Treibstoff innerhalb von Sekunden aufgebraucht hatte. Er mißtraute ihnen, obwohl sie sämtlich doppelt vorhanden waren und obgleich alle Kontrollanzeigen ihre einwandfreie Funktion bewiesen.
    Das Schott zur Verbindungsstrebe ließ sich nicht sofort öffnen, und ein rotglimmender Funke am oberen Rahmen zeigte an, daß es in der Strebe eine Havarie gegeben haben mußte. Es dauerte Minuten, ehe Stasch das zweite, und eine Viertelstunde, ehe er das dritte Schott erreicht hatte. Überall sah er das gleiche: Die Schotte waren automatisch verriegelt, und über ihnen glomm boshaft das rote Lämpchen.
    Erst zu diesem Zeitpunkt will er zum erstenmal daran gedacht haben, daß mit dem Raumschiff etwas geschehen sein könnte, das über sein Vorstellungsvermögen ging. Trotzdem gelang es ihm, den Raumanzug allein und ohne Hilfe anzulegen. Nachdem er den Helm übergestülpt hatte, brachte er noch die Ruhe auf, den genauen Sitz und die einwandfreie Funktion des Rettungssystems zu überprüfen.
    Dann nahm er die zeitraubende Prozedur des Durchschleusens in Angriff. Als die zweite Tür des Schotts aufschwang und er den ersten Blick hinaus in das schwarze grenzenlose All tat, verlor er die Fassung. Die drei Streben mit den Treibstoffbehältern und den Plasmaöfen waren verschwunden, einfach abgeschmolzen. Die Leitspindel des Gesamtkomplexes endete unmittelbar vor ihm in verzunderten, zackig geborstenen Platten.
    Das Einschleusen dauerte sehr lange. Er tat die einzelnen Handgriffe wie in Trance, und später, bei Abfassung des Berichtes, mußte er sich seine Handlungen gewaltsam ins Gedächtnis rufen, um sie beschreiben zu können. Trotzdem will er ruhig und gefaßt gewesen sein.
    Als er zurück in die Zentrale kam, war die Mannschaft vollzählig versammelt. Er musterte sie mit einem schnellen Blick und stellte fest, daß keiner von ihnen verletzt war. Er war erfreut darüber, daß sie Disziplin gewahrt hatten und immer noch wahrten. Er wußte, daß bereits ein nachlässig befestigtes Bett bei der ohne Ankündigung eingeleiteten Beschleunigungsphase einen Unfall im Inneren des Raumschiffes hätte herbeiführen können. In einzelnen Gesichtern sah er Angst, und er vermochte sich nicht zu erklären, woher diese Angst kam. Noch konnte niemand von der Besatzung wissen, daß die Korona ein Wrack war, das man weder steuern noch beschleunigen oder verzögern konnte.
    Die Stille in der Zentrale war fast körperlich zu spüren. Und in diese Stille hinein tropften die Worte eines der Astronomen: »Stasch, der Uranus ist verschwunden!« Dann streckte der Mann den Arm aus, und sein Finger deutete auf einen der Bildschirme. »Das dort ist die Sonne, Stasch!«
    Sie war nur noch ein weißlichgelbes Sternchen, unendlich weit entfernt. Stasch sah dem Astronomen an, daß er sich nur mit Mühe beherrschte, und er überlegte sekundenlang, ob er den Menschen um ihn herum schon jetzt die ganze Wahrheit sagen durfte.
    Schließlich aber richtete er sich auf, was zur Folge hatte, daß sich aller Augen auf ihn richteten.
    »Die Korona ist ein Wrack!« sagte er leise. »Wir sind manövrierunfähig. Treibstoff und Antriebe sind völlig zerstrahlt worden.«
    Er beschreibt in der Chronik die Reaktionen der Menschen auf seine ungeheuerliche Eröffnung, und er äußert sich anerkennend über die gefaßte Haltung, die beinahe alle an den Tag legten. Nur die beiden Astronomen zeigten, obwohl sie doch gewöhnt waren, mit den irrsinnigen Entfernungen des Kosmos ohne jede Emotion umzugehen, Erschrecken. Sie als einzige leisteten sich einen derartigen Gefühlsausbruch.
    Zumindest behauptet die Chronik, daß es keinerlei andere emotionale Reaktionen gegeben habe. Aber ich bin nicht sicher, daß sie uns nichts verschweigt. Bestimmt hat es schlimme Depressionen gegeben, vielleicht sogar Zusammenstöße zwischen Besonnenen und Verwirrten, als sie erkannten, daß sie verloren waren, daß sie die Erde, die sie so liebten, daß sie sie mit einem Glorienschein umgaben, nie mehr wiedersehen würden.
    Ich halte dieses Nichterwähnen von Gefühlsregungen für Methode. Wie anders sollten sie sonst den folgenden Generationen Heroismus und Heldentum abverlangen? Sie durften ihnen nicht eingestehen, daß sie unter der Last der Ereignisse zusammengebrochen waren. Was sollten die Söhne von den Vätern, die Töchter von den Müttern

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