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Die Wasser des Mars

Die Wasser des Mars

Titel: Die Wasser des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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lösen hatten. Und stets gipfelten diese Erörterungen in Kernsätzen, die eigentlich Weisungen waren, wie sich das Leben an Bord zu gestalten habe.
    Den Anstoß zu dieser Wandlung gab ein Mann namens Laser, ein Urahn unseres ehemaligen Kommandanten. Seine Gründe schienen, obwohl sie im Buch nicht verzeichnet sind, keine anderen gewesen zu sein als die, die auch seinen Nachkommen bewogen, mich kurz vor seinem Tode eindringlich zu warnen.
    Auch dieser Laser wollte künftigen Generationen einen Halt, vielleicht auch einen Glauben geben, an den sie sich klammern konnten, der ihnen das Ende der Expedition, den unvermeidlichen Tod in der heimatlichen Sonne als Glück, ja als Unsterblichwerdung erscheinen lassen, der ihre harte Arbeit und ihr karges Los zu einer Heldentat verklären sollte. Ob sie alle daran geglaubt haben? Ich ertappe mich dabei, daß ich auf die Seiten des Buches starre, ohne ein Wort zu lesen. Eine bestimmte Stelle kommt mir in den Sinn, und ich beginne zu blättern, bis ich sie gefunden habe. Es sind harte Worte, die hier geschrieben stehen, Worte, die darauf hindeuten, daß sich nicht alle an die Gebote der Chronik gehalten haben, daß es unter unseren Vorfahren Menschen gab, die an unserer Aufgabe zweifelten, die sich treiben ließen, in sinnloser Selbstbemitleidung. Von Persönlichkeitsdeformation ist die Rede und davon, daß der Mensch aufhöre, ein Mensch zu sein, wenn er die Arbeit im Dienste der Menschheit ablehne. Man machte es sich einfach zu jener Zeit und erklärte diejenigen, die sich gehenließen, für anormal. Sie verwirkten das Recht, sich an der Zeugung der nächsten Generation zu beteiligen.
    Vielleicht war die Methode erfolgreich, womöglich aber unterschlug man auch die Niederschrift derartiger Ausfälle in den folgenden Generationen.
    Wieder gerate ich ins Grübeln, und eigentlich ist es nicht verwunderlich, daß ich ausgerechnet jetzt an den jungen Laser denken muß, an den Sohn unseres ehemaligen Kommandanten. Wie sehr sich der Sohn von seinem Vater unterscheidet. Bis wenige Tage vor seinem Tod war der alte Laser ein Energiebündel, stets unterwegs, kontrollierte er die Systeme und die Menschen der ihm unterstellten Welt. Er lebte uns das, was er predigte, in jeder Beziehung vor. Der Sohn hingegen…
    Der eigene Vater hätte ihn wahrscheinlich damals zum Außenseiter erklärt, hätte ihn von allen Rechten und Pflichten entbunden, aber heute ist das anders, ganz anders…
    Es ist, als blicke mich aus den weißen Seiten mit der feinen Handschrift das Gesicht Myriams an, ein schmales Gesicht mit ein wenig schräggestellten Augen. Es tut gut, sich zurückzulehnen, soweit die Gurte es zulassen, und sich den Gedanken an Myriam hinzugeben…
    Schließlich stehe ich auf, schiebe mich ein wenig von meinem Sessel ab, ergreife das Sicherungsseil und hangele mich hinaus auf den Korridor. Ganz hinten, am anderen Ende, ist die Tür zu Myriams Kabine.
    Ich glaube, daß wir es zwar in manchen Beziehungen schwerer haben als unsere Vorfahren, in einer haben wir es mit Sicherheit leichter als sie. Hinter uns stehen nicht mehr die ehernen Gesetze unserer Ahnen, die vorschrieben, jede Generation habe sechs Knaben und sechs Mädchen zu zeugen, um eine Besatzung zu erhalten, die die Anlagen des Schiffes optimal zu versorgen in der Lage war. Hinter uns steht nicht mehr der strenge genetische Koordinationskode, dessen Umgehung jeden möglichen Erfolg unserer Mission von vornherein in Frage gestellt hätte.
    Wir brauchen keine Generation mehr, die nach uns kommt, die unser Erbe zu übernehmen, zu vollenden und weiterzugeben hat. Das Spiel der Fortpflanzung hat für uns seinen Sinn verloren, sein Zauber ist uns jedoch geblieben.
    Die strengen Konventionen unserer Vorfahren haben sich angesichts der Sonne überlebt. Wir werden die Erde auch ohne sie erreichen.
    Welch eigenartige Gedanken gehen mir durch den Kopf? Wie komme ich zu der Formulierung »Wir werden die Erde erreichen«?
    Selbstverständlich werden nicht wir sie erreichen, sondern nur unsere Arbeitsergebnisse, die Chronik und diese Gedanken, von denen ich längst nicht mehr so überzeugt bin wie zu dem Zeitpunkt, als ich begann, sie auf Speicher zu sprechen.
    Oder gibt es doch noch einen Funken Hoffnung für uns? Vielleicht hat die Menschheit in den vergangenen Jahrzehnten gelernt, schnellfliegende Raumkörper zu bremsen, vielleicht besitzt sie die Mittel, uns zu retten. Wieder sind es nur »Vielleichts«, eines nach dem anderen, und ständig

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