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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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runzligen Ausflug vorgehabt hatte – nun, sagen wir, auf die uns abgekehrte Seite seines Lebens, man weiß schon. Jetzt aber verschwand das aus seinem Gesichtskreis. Denn er hatte schon im Garten und während sachlicher Erörterungen gespürt, was von Seiten Donalds eigentlich herandrang. Wenn einer nicht spricht, spürt man’s doch, daß er nicht spricht; wir fühlen’s nun einmal, wenn beim andern Menschen das Schweigen in seinen Riegeln ächzt, wenn des Schweigens Stauwehr hoch gefüllt ist. Und Chwostik war ja nicht unwissend. Doch auch persönlich bedrängt. Wir sagten schon, daß er den Ernst der Lage erkannte. Mehr als das: der Ausblick war schrecklich, diesen jungen Mann jetzt möglicherweise auf einem Terrain schwer ringen zu sehen, das er selbst, Chwostik, vor kurzer Zeit erst, dankbar, heiter und leichten Fußes verlassen hatte.
    Für Donald war der Sommer hereingebrochen, mochte man auch noch früh im Mai stehen, bei geschlossenen Fliederblüten und gelegentlich wehenden Bändern von Kühle, wenn nicht Kälte, im Garten und auf der Straße. Aber in ihm war jene Finsternis, welche, aus lauter Strahlung und Hitze, die Sommersonne in uns erzeugen kann, verbunden mit einem Gefühle des Eingepacktseins samt Kopf und Kragen. Das Laub war hellgrün. Für ihn war es schon dunkel.
    Sie aßen mit Augustus, der sich, verschmitzt lächelnd, gleich nach eingenommenem Dinner empfahl. Chwostik und Donald gingen in die Halle und lagen in Fauteuils. Der Kaffee wurde gebracht. Danach hätte Donald beinahe gesprochen, was ein wahrlich noch nicht dagewesenes Faktum gewesen wäre. Aber er machte nur eine einzige Bemerkung: daß man nämlich, in zwei Ländern lebend, sich schließlich nicht in beiden, sondern nirgendwo mehr zuhause fühlen würde.
    I n der Tat war eben dieses für ihn stark spürbar geworden, und es bildete einen wankenden und bedrohlichen Hintergrund, vor welchem er selbst wankte, seit es ihn wie mit einem Kran vom bisherigen Postamente gehoben hatte (man möchte lieber Fundament sagen!) und dieses war ja nichts anderes gewesen als das zweisame Leben mit dem Vater. Nun hieß es ein alleiniges auf sich nehmen, das den Sommer, der da kommen würde, im voraus verfinsterte, durch den jetzt nicht zu vermeidenden Abschied von Wien. Er rief im Verlage an. Sie war noch immer nicht da.
    Inzwischen war wohl einiges zu erledigen vor der Abreise, aber hier ging alles mühelos und glitt eines aus dem anderen glatt hervor. Die Umstände fügten sich, als hielten sie den Atem an. Das kann nicht nur im Glücke, sondern auch im Unglück beobachtet werden. Auch Augustus, welchen Donald nur bei den Mahlzeiten sah, schien sein fettes Gelächter etwas zurückhalten zu wollen. Von ihm ward kurz erwähnt, daß man hier Tennis gespielt habe, mit seinen Freunden und den Harbach-Pipsis. Donald ermangelte dafür gänzlich des Interesses.
    Am folgenden Tage, als er nach ein Uhr zum Lunch heimging, begegneten ihm zwei von den Gymnasiasten, nämlich Wasmut und Chlamtatsch. Er blieb bei den korrekt grüßenden jungen Leuten stehen. Ob er in England gewesen sei? Ja. Und wann Mr. Robert Clayton wieder von seiner Reise zurückkehren werde? Er erwarte ihn jeden Tag, sagte Donald. Denn er selbst müsse in einigen Tagen auf vier Wochen in den Vorderen Orient fahren. „Beneidenswert!“ rief Wasmut. „Wird etwas heiß werden“, entgegnete Donald. „Da wird es also doch nicht dazu kommen“, sagte Zdenko, „daß Sie uns beim Tennis den Schiedsrichter machen, wie’s ursprünglich geplant war, Mr. Clayton. Heribert und Augustus haben mir das damals erzählt. Wir haben jetzt auf Ihrem Tennisplatz eigentlich auch keinen Schiedsrichter gehabt. Das Fräulein Ingenieur Bachler ist meistens auf der Terrasse gelegen, und Ihr Herr Papa konnte deshalb nicht immer bei uns bleiben. Ich glaube, sie spielt nicht Tennis.“
    Ein fahler Blitz schoss in Donald zu Augustus hinüber, dem verschmitzten Verschweiger und dessen immer gleich bleibender und prompt funktionierender Lebensart. Jetzt, wo er selbst sank – und in diesen Augenblicken wußte er sich sinken, fühlte es zum ersten Male – erschien ihm der immer gleiche Griff, mit welchem jenes Biest (,brüte‘ – nun dachte er englisch!) alles und jedes spielend nahm, als grenzenlos hassenswert: weil ihm und seiner Ohnmacht weit überlegen.
    D ie Burschen verabschiedeten sich korrekt von dem Engländer. Dieser wandte sich (Chlamtatsch sah ihm noch nach), verlor das Gleichgewicht, offenbar auf eine

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