Die Wasserfälle von Slunj
akademischen Malers Graber, der übrigens den Titel eines Professors trug, was hier allerdings niemand wußte.
So saß denn jener im friedlichen Teich, sank langsam in’s Bier und in die Schläfrigkeit ein und nahm am Gespräche teil, das beiläufig vor sich hin quargelte, witzelte und wörtelte, freilich nicht auf der Ebene eines Herrn wie Graber, aber das war ihm ganz recht.
Noch andere solche gab es vereinzelt unter den Gästen der Maria Gründling. Jedes Wirtshaus hat die Gäste, die es verdient, genau so, wie man einen Schriftsteller aus seinen Lesern zu erkennen vermag, ohne selbst von ihm noch eine Zeile gelesen zu haben. Auch Chwostik hatte übrigens gelegentlich einmal hierher gefunden, kurz nachdem der Wirt jenes Beisls, wo sein Vater einst Kellner gewesen, sich vom Geschäfte zurückgezogen und das Lokal einem anderen übergeben hatte. Chwostik kam selten, doch kannte er den gemütlichen Graber, und besaß sogar eines der zahllosen von ihm illustrierten Märchenbücher, ein Geschenk des Künstlers, mit persönlicher Signatur. Es fanden sich darin die seltsamsten Wald – und Wurzelmännlein, knorrige Burschen, die einen ansahen wie Baumstrünke, denen Augen aufgegangen waren.
Eine andere Art von Gästen kam hierher – über Wiener-Neustadt und den nahe gelegenen Südbahnhof – aus dem damals noch königlich ungarischen Burgenlande, also im ganzen dem Landstrich zwischen den auslaufenden Bergen der Steiermark und dem tief im Flachlande gelegenen Neusiedler See. Diese Gäste waren landwirtschaftliche Gestalten, meist gestiefelt, die aus irgendeinem Grunde, wohl auch markthalber, nach Wien herein kamen, Männer und Weiber, in hohen Stiefeln beide. Sie waren friedlich und kauderwelschten erstaunlich, wenn sie nicht überhaupt ungarisch oder kroatisch sprachen.
Als Donald nach stundenlangem Umhertreiben hier eintrat, saß Chwostik links von der Wirtin, Graber wie gewöhnlich rechts, und neben ihm zwei derbe und frische gestiefelte alte Weiber.
Der Magistratsdirektor war auch da.
„Na, mei‘ Kind“, redete die Wirtin den neuen Gast an, „du nimmst nach oben zu scheint’s ka End’. Setz’ di nieder und ziag deine Stelzen ein. Mit ’n Stephansturm kann man net dischkurieren und i hab‘ heut mei Fernrohr z’hausglassen. – Ah, die Herren kennen einand?“ sagte sie jetzt, als Donald und Chwostik einander begrüßten. „ Ausschaug’n tuast wie an Engländer. Setz’ di her, Tschentlemann, neben die Fini und die Feverl.“
D a sie in Wien sich auskannten und geschickt waren, wurden sie dann und wann vom Globus von Ungarn – auch diesen gab es noch in voller Kraft! – ausgesandt, um das und jenes zu besorgen oder auch einzukaufen und zu bringen: für die Küche, für’s Haus; und bei solcher Gelegenheit auch für das Toilettebrett des kleinen Schaffers Gergelffi, der – noch immer so schlank wie einst – ein Freund duftender Sachen war und gewöhnt an eine Rasiercreme, die sich ,Wach auf!‘ nannte, und welche man allerdings in Moson nicht bekam. Wir erinnern uns dieses tüchtigen Mannes als eines Spenders von einem Paar zierlicher Husarenstiefel für Feverl.
W enn Figuren aus dem Stande einer relativen und metaphorischen Heiligkeit wieder – sei’s auch nur vorübergehend – zu uns gewöhnlichen Menschen herabsinken und unter uns wandeln, so geraten sie dabei sehr leicht neuerlich in des Schriftstellers aufgestellte Netze: in diesen zappeln jetzt plötzlich zwei dick und fett gewordene alte trojanische Pferdchen. Sachte! Wir wollen sie bald wieder befreien; vorher aber doch ein bissel anschauen; wir wollen sehen, wie sie’s treiben.
Sie waren jetzt hoch in den Sechzig; aber unglaublich gut erhalten. Und eigentlich befanden sie sich schon im Ruhestande. Aber in Moson blieben sie unentbehrlich; also unentbehrliche Ruheständlerinnen. Sie waren, genau genommen, hübscher, als sie in den Pferdchen-Jahren gewesen. Oder, sie sahen weniger ordinär aus wie damals. Ein seltener Fall! Wo doch alle Menschen immer ordinärer aussehen! Wir kennen sonst eigentlich nur den Postamtsvorstand Münsterer als Ausnahme.
Immer noch bildeten sie ein Doppel. Das heißt, es war nicht so sehr jede mit sich selbst, als jede immer mit der anderen identisch geblieben, was bei solchen Doppel-Visagen keineswegs die Regel ist, wie der bedauerliche Fall von Clayton bros. uns neuestens nachdrücklicher beweisen will. Die Kritik wird mit Recht sagen, dem Autor sei es nicht gelungen, diese beiden Figuren „schärfer
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