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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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Kellner gewesen): der Sparverein des Bezirks hatte seine Sitzung, seinen Tag. Vorstädtische Gepflogenheiten: man zahlte durch’s ganze Jahr ein und vor Weihnachten ward ausgeschüttet. Damals schon waren diese Sparbeträge, nationalökonomisch gesehen, beachtlich (heute sind sie enorm). Der Torkel durfte bei solchen Sitzungen im Wirtshause fast nichts trinken, nur ein ,Achterl‘. Zuhause bekam er dann erst Bier, dann Wein: umso leichter war er aus dem Beisl wieder wegzubringen. Die Wewerka ließ ihn daheim voll laufen und ohrfeigte ihn sodann vor dem Schlafengehen, aber ganz ohne jeden Streit oder Anlaß, in aller Stille, möchte man sagen. Münsterer-Vater tobte garniemals: nur Brabbeln und leises Grunzen. Die Wewerka aber hatte, das muß nun einmal eingeräumt werden, auf ihre Art ein gewisses Format.
    Münsterer saß auf dem grauslichen Bettlein. In ihm, in seinem Innern, stieg noch Chwostik die Treppen empor, dorthin, wo er wohnte, überstieg ihn, wie so oft schon. Dieser Vorgang in Münsterer war, wenn auch nichts als das Abbild einer äußeren Wirklichkeit, die jedermann sehen konnte, doch ein tief geheimer. Zum erstenmal heute aber stemmte er sich dumpf gegen diese Ziehung, wie ein Hund, welcher der Leine entgehen will: und er spürte durch Sekunden die Hundsnatur seines Vaters in sich und zugleich die Verehrung für Chwostik, die sich in ihm wie ein Spalt öffnete, welcher tiefer in’s eigene Innere hinab reichte als ihm bisher je wissentlich gewesen: aber gerade dies befreite doch wieder von dem Vater und der Wewerka und dem grauslichen Bett und dem Geruch nach Petroleum, der jedesmal einmal gleich zu spüren war, wenn man vom Hausflur in die Unterwelt abtreppte und an der Lampe dort vorbei mußte: am widerlichsten bei Tage, wenn dieser Lampengeruch kalt war. Am Porzellanballon, welcher das Öl enthielt, klebten kleine Fliegen und sommers die Nachtschmetterlinge.
    Aber es geschah obendrein noch Chwostik’s Häutung (nämlich seine Neu-Einkleidung) – ab jenem Abendessen bei Claytons, von welchem Münsterer freilich nichts wußte.
    Damals brachte Münsterer in Erfahrung, wie alt Chwostik eigentlich sei. Aber der nicht viel mehr als zehn Jahre betragende Unterschied entschuldigte dem Münsterer nicht die troglodytische Zurückgebliebenheit der eigenen Person; auch ein Seitenblick auf sein jugendliches Alter vermocht’ es kaum.
    Seit der Häutung wurde Chwostik’s Wirkung, die Ziehung zu ihm hin und dort hinauf, übermächtig.
    Münsterer, wenn er heimkam, betraf sich jetzt dabei, daß er die letzten Schritte bis zum Haustore so dahinging, als ob er Chwostik wäre, und auch das Haustor in langsamer Weise aufstemmte, wie dieser tat. Seit der Häutung begann Münsterer viel Sorgfalt auf seine äußere Erscheinung zu verwenden, innerhalb der engen Grenzen seiner Möglichkeiten dazu. Und eines Tages zerrte die Wewerka, die’s längst ad notam genommen hatte, Geheimstes an’s Licht und sagte in der Küche, wo man aß und zugleich die Lampe roch: „Hast a Menscherl, daß d’ alleweil an dir umanand’ schleckst?1“
    Es geschah selten genug, daß Chwostik und Münsterer gleichzeitig den Hausflur betraten; denn der Manipulant verließ pünktlich um sechs Uhr nach Dienstschluß das Postamt; Chwostik aber saß zeitweise bis sieben und halb acht am Schreibtische, wenn Robert Clayton sowohl als die Arbeiter und Angestellten Werk und Bureau längst verlassen hatten. Mitunter allerdings, wenn Chwostik nach Geschäftsschluß noch arbeiten wollte, hielt ihn sein Chef davon ab: Robert Clayton saß dann gern bei Chwostik in dessen Zimmer, rittlings auf einem Sessel, unter welchen er eine bei solchem Anlasse mitgebrachte Whiskyflasche stellte, und plauderte und lachte mit dem Bureauchef noch eine halbe Stunde vor dem Heimgehen. Dabei hielt er die grade Pfeife auf eine eigentümliche Art im Mund, so nämlich, daß er dabei die Zähne nicht zusammenbeißen mußte: es stand seine ,Peterson‘ nicht waagrecht hervor, sondern sie hing vom Mundwinkel tief ab, wie das sonst nur eine gebogene Pfeife macht.
    F everl und Finy saßen auf einem alten Regenmantel unterhalb der Böschung mit dem wie in Büschen und Buckeln wachsenden tiefgrünen Grase, das aber nicht stand, sondern zum Wasser hinunter abhing, wie gekämmt, matt von der sommerlichen Hitze. Sie streckten ihre Beine von sich und waren ganz mit ihren bloßen Füßen beschäftigt. Finy nämlich vermochte ihre großen Zehen (lieber fast würde man hier wienerisch

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