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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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„ich muß rasch nach Hause, die Kleine in’s Bett stecken, und ich brauche sofort einen Arzt. Das Kind hat viel Wasser geschluckt. Mein Mädchen ist jetzt nicht in der Wohnung, mein Mann auch nicht daheim. Könnten Sie die große Güte haben, irgendeinen Arzt aus der Nähe zu mir zu schicken?!“ „Jawohl, gnädige Frau“, sagte der Beamte, „es ist eh’ grad der Herr Doctor Grundl bei uns auf der Wachstube, ich werd’s ihm gleich sagen.“ Sie gab ihm die genaue Adresse und er ging rasch davon und hielt dabei seinen Säbel. Finy und Feverl staunten betreten über dies höhere Wesen, das ohne weiteres einen Polizisten anredete. Das hätten sie niemals sich einfallen lassen.
    Sie querten den ersten Häuserblock durch eine senkrecht auf den Donaukanal heraus führende Gasse und gelangten in jene lange, schon großenteils verbaute Zeile, die ein Stück fast parallel mit dem Flusse lief, der hier allerdings einen weiten und fla-chen Bogen schlug. Die hellen neuen Häuser erstreckten sich weithin im leblosen Licht des trüben und warmen Tages; in den langen Reihen der großen und in Abständen sogar dreiteiligen Fenster lag jenes Licht wie feiner aschiger Staub. Die weiße Dame mit ihrem Kind, stets langen Schrittes voraus – Finy und Feverl zeppelten hinterdrein – strebte quer über die Straße auf das Tor des Eckhauses zu. Der Hausflur öffnete sich geräumig und glatt, die Treppe war breit und hell, die oberen Teile der Fenster im Stiegenhause ließen das Tageslicht durch eine bunte Verglasung fallen. Sie stiegen nur eine Treppe hoch. Erst jetzt, vor der weißlackierten Tür, als sie aufsperren wollte, vermißte die Dame mit Erschrecken ihr Réticule: Finy hielt den Beutel gleich hin, sie übernahmen das Kind und die Tür wurde aufgeschlossen, nachdem der Schlüssel vom Grunde des Beutels hervorgekramt war, was einige Zeit gedauert hatte. Feverl las derweil an der Türe den Namen: Dr. Maurice Bachler.
    In solch ein sauberes Ställchen waren unsere trojanischen Pferdchen noch nie geführt worden. Es war ,peinlich sauber‘, wie man ja zu sagen pflegt – und so würde man auch richtig wiedergeben, was Finy und Feverl fühlten. Zugleich sprach sie der Genius loci mit leichter Säuerlichkeit an; vielleicht hatte man Gurkensalat zu Mittag gehabt. Vielleicht war es auch gar kein Geruch, sondern es war die Sauberkeit selbst.
    Den Namen ,Maurice‘ hatte Feverl etwa so gelesen: Mauritze.
    Mit langen Schritten weiter voran durch ein großes Zimmer mit dreiteiligem Fenster und spiegelnd-polierten Möbeln, es war hell, das matte Licht des Tages lag weißlich an der rückwärtigen Wand. Feverl trug die kleine Monica nach – welche sich jetzt ganz still verhielt – in den benachbarten Raum und Finy zeppelte naß hinter ihr drein. Hier stand das Kinderbett und daneben eine Art Kommode, die wohl früher einmal auch als Wickeltisch für das Kleinkind gedient hatte, mit der glatten weißen Platte. Jetzt wurde Monica von dem alten Regenmantel befreit, saß nackt und patschierlich auf der Kommode, von ihrer Mutter mit raschen Küssen bedeckt und gleichzeitig mit einem Handtuch abgerieben. Sie hatte sich getröstet. Sie lachte sogar. Jetzt ward sie ins Bettchen gesteckt. Frau Doctor Bachler wandte sich herum und sah Finy stehen in ihrem nassen Zeug.
    „Jetzt rasch“, sagte sie, „so können Sie nicht bleiben.“
    Schränke und Laden werden geöffnet. Hier zeigt sich bei der Frau Dr. Bachler so etwas wie ein fester Zugriff und ein Talent, möchte man sagen, in der Verwaltung der augenblicklichen Lage eines anderen Menschen; eine fühlbare Moralität, diesfalls als Hilfsbereitschaft ausgeübt. Finy geht mit einem Packen von Sachen – auch Schuhe sind dabei, die ihr dann sogar passen – in die Küche; sie kriegt Seife, ein Handtuch, eine Bürste, und präsentiert sich eine Viertelstunde später in einem alten Sommerkleid der Frau Doctor, in welchem sie etwas explosiv wirkt, durch knappe Einknöpfung. Aus den nassen Sachen wird ein Paket gemacht, mit Packpapier und Spagat. „Gnä’ Frau“, sagt Finy, „das wird aber ein paar Tag’ dauern, bis ich der Gnädigen die Sachen zurückbring’, denn ich will‘s vorher waschen, was ich da jetzt trag’.“ Es sei nicht nötig, meint die Frau Doctor; aber Finy bleibt dabei. Sie will das Paket dann bei der Hausmeisterin abgeben.
    Jetzt erst, im Wohnzimmer mit den spiegelnden Möbeln – die Schwimmerin bekam einen Cognac und es ward in der Küche ein heißer Kaffee vorbereitet

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