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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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sein vergnügtes fettes Kinderlachen. Harriet stand noch immer auf der finsteren Galerie.
    Dies englische Kinderlied (es war „Baa, baa, black sheep, have you any wool. . . .“) drehte plötzlich eine heftige, schmerzhafte Empörung aus ihrem Innersten hervor. Warum darf ich nicht daheim sein? – in dieser fast weinenden Frage kulminierte das. Warum muß Bob hier einen Fabrikherren machen? Dies Haus ist unser, es ist schon englisch, ja, aber es schwimmt auf einem fremden Meer – und freilich vergaß sie, daß jedes briti-sche Schiffsdeck, und auf dem fremdesten Meere, ein Stück englischen Bodens ist.
    Sie sah vor sich hin in das Halbdunkel. Aus der Halle unten kam ein Knacken vom Kamin. Das war alles, was ihr gesagt wurde.
    Dann hörte sie Bob in der Halle.
    Sie betrat nicht die Nursery, sondern ging hinab.
    Vor dem Kamin besprachen sie ein Abendessen, das nächste Woche hier statthaben sollte; sie stellten die Liste der Gäste auf. Unter diesen waren Chwostik und Milohnić.
    M ilo war um sechs schon bei Pēpi. Er fand Chwostik bereits angekleidet. Er staunte und sagte nichts. Sein Freund hatte es in der letzten Zeit sogar verstanden, den eichhörnchenhaften Schnurrbart durch allmähliches Stutzen derart zu verändern, daß er nun die Form eines kleinen Bürstchens angenommen hatte. Vom Abendanzug garnicht zu reden (mit Lackstiefeletten, versteht sich). Er sah aus wie irgendein anderer Herr auch, den man zum Dinner eingeladen hat. So fand jedenfalls Harriet, nur kam ihr das weniger deutlich zum Bewußtsein als dem Milo. Sie war fast enttäuscht. Robert Clayton hatte ihr viel von Chwostik erzählt. Sie entdeckte an ihm nichts besonderes; auch Clayton nicht (obwohl er ihn doch sonst in seiner ganzen Schäbigkeit kannte!); eben so wenig in den nächsten Tagen, wenngleich dazu genug Gelegenheit gewesen wäre: denn eben von jenem Abendessen an trug Chwostik nur mehr seine neuen Kleider und hatte alle alten weg getan.
    Bei Tische war auch der Doctor Eptinger mit seiner Gattin. Daß jener sich einiges dachte, ist selbstverständlich. Die Chwostik‘sche Häutung begann ja erst ihre Gewöhnungszeit zu durchlaufen. Diese Periode dauerte übrigens garnicht lange: vielleicht vierzehn Tage. Milo war sehr zufrieden; am meisten erstaunte er über Chwostik’s gutsitzende Krawatte (man trug sie damals weit größer als heute).
    Frau Doctor Eptinger – schon in jenen Tagen führte zu Wien die Frau den akademischen Titel des Gatten – war eine schöne Person mit blauschwarzem Haar, und geradezu imposant: so lange sie saß. Stand sie auf, dann wurde sie, infolge ihrer Kurzbeinigkeit, nicht viel größer, sondern ging überraschend klein vom Tische weg. Man saß nach Essens vor dem Kamin in der Halle: Chwostik neben Harriet. Das Englische lag ihm bequem im Munde. Er berichtete der Hausfrau vom nahen Hochgebirge und dem Klettersport, welchen er geübt hatte: das fand auch Robert Clayton’s Interesse. Bald hörten alle zu. Aber Chwostik brach nach einigen sachlichen Mitteilungen kurz ab und schwieg. Damals beschlossen die Claytons, unter Chwostik’s Führung die Raxalpe zu besteigen.
    D er Spätherbst und der Winter bedeuteten, vom geschäftlichen Gesichtspunkt, für Finy und Feverl die bessere, ja, die beste Zeit: bei Nebel und Feuchtigkeit wird die Männerwelt, soweit sie streunt, eher anfällig für die Vorstellung von geöffneten Cavitäten, in die man sich kuscheln kann. Wenngleich die beiden Weiber immer beisammen waren, kann man sie nicht abkürzen – etwa Feverl & Cie. – weil ihre Branche an der Person haftet. Das erscheint als auszeichnend für die Branche, nicht für die Person. Dabei muß doch gesagt werden, daß, vom Geistigen her gesehen, Finy und Feverl aussichtsreiche Existenzen genannt werden müssen, allein schon wegen ihrer Untätigkeit und der Simplicität ihres Daseins. Was ihre erfahrbaren Personen anlangt, so waren sie eher harmlos, wie die meisten Bewohner jenes Hauses in der Adamsgasse auch. Nur unten im Parterre bei der Hausmeisterin Wewerka gab es das furchtbar überflüssige Böse, die höllisch unermüdliche List.
    Übrigens hatten ja die trojanischen Pferde ihr eigentliches Schlafställchen anderswo, wie wir schon wissen, und in der Adamsgasse nur ihre Amtslokalitäten. Sie bewohnten nicht allzuweit weg von diesen, jedoch immerhin schon in einem anderen Viertel, ein Kabinett mit Küche.
    Es war nicht eben hübsch (garnicht), aber zur warmen Jahreszeit (während welcher das Geschäft schlechter

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