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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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rechts über den hier breiteren Hügelrücken. An dessen Ende lag, mit der Aussicht auf den Fluß, Pompe-House. Auch von hier aus konnte man die hohen Schornsteine des Werkes von Clayton & Powers nicht sehen. Der Wald drüben entzog sie dem Blick. Ganz ferne, als ein dünner Strich, stand links vom Walde der Kirchturm von Chifflington.
    Kam man Pomp-House nur in die Nähe, so wurde die Stille absolut herrschend. Am gekiesten Vorplatze gab es zahlreiche Büschel von Gras, das sich hier wieder angesiedelt hatte. Als der Huftritt des Fuchsen auf dem Kies hörbar wurde, erschien bald der Gärtner laufend um die Ecke der Terrasse, ein kleiner säbelbeiniger Mann mit einer alten Cricketmütze am Kopf, die er nun schwenkte; die Art seiner eiligen Bewegung hatte etwas knochenloses an sich, er warf seine Beine wie Würstel. Harriet übergab ihm das Pferd. Die Gärtnersfrau erschien, von weitem knixend, einen Strohwisch in der Hand. Der Sattelgurt wurde geöffnet, der Damensattel heruntergenommen, und dann rieb der Mann den Fuchsen ein wenig mit dem Strohwisch und führte ihn auf und ab.
    Harriet folgte der Gärtnersfrau, welche mit den Schlüsseln vor ihr her lief. Diese Person bildete für Harriet einen Gegenstand des Staunens, ja, neuestens fast des leichten Neides: durch ihre Unveränderlichkeit. Sie sah aus wie eine Tasse Kamillentee, in welcher man eine Marguerite schwimmen läßt. Gerade in der letzten Zeit, die Donald noch bei dem Großvater in Brindley-Hall verbrachte, kam es Harriet zum Bewußtsein, daß sie früh zu altern begann, unmerklich noch für ihren Mann und die anderen, merklich doch für sie selbst. Eine Neigung zur Hagerkeit durchdrang ihren Körper. War das Reiten aufzugeben?
    Sie ging in das kleine Arbeitszimmer oder Privatcomptoir ihres verstorbenen Onkels (ihr Mädchenzimmer ließ sie unbesucht), und hier wollte sie Tee trinken. Die Gärtnerin verschwand. Dieser Raum des alten wohlhabenden Jung-Gesellen war jetzt Harriets innerste Zelle geworden, ihr Rückhalt, ihre Festung, so selten sie hierher kam. Mit Befriedigung, ja, mit Genuß, sagte sie sich, daß dies nun ihr Haus sei und dieses kleine, braune, getäfelte Kabinett das ihre, und die beiden Gärtnersleute nunmehr ihre eigenen Angestellten. Nirgends schmeckte der Tee so gut wie hier. Er wurde mit strengster Sorgfalt für sie bereitet, ganz so wie sie ihn wollte. Sie hatte sich durchgesetzt. Man war ihres seltenen Kommens hier doch stets gewärtig.
    Es hat sich kaum zwei oder drei Male gefügt, daß Bob sie hierher begleitete, wenn er einmal nach England zu seinem Vater kam (und dabei war Bob in der Brautzeit doch sehr oft hier gewesen), und auch Donald nur selten, später, als er schon halb erwachsen wurde. Vielleicht wußte Harriet alles das zu vermeiden.
    Sie wollte hier allein sein. Dazu kam sie herüber.
    Begreiflicher Wunsch, dieses zeitweilige Alleinsein, wird man sagen; den meisten Ehefrauen bleibt er freilich unerfüllt. Sie haben kein Haus außer dem Hause, kein Kastell. Und Harriet hat zunächst auch nichts damit anzufangen gewußt, erst später. Jener Wunsch nach Alleinsein bleibt überhaupt fragwürdig, denn niemand vermag sich mit der Einsamkeit ein vorübergehendes Verhältnis anzufangen.
    Darum ging es nicht bei Harriet. Aber sie ruhte hier aus von einer Anstrengung, fast wäre zu sagen, von einem Belästigt-Sein, welches jeder Umgang mit Menschen ihr brachte, und das sich in ihr schon zu einer Art von stehendem Vorrat gesammelt hatte. Was ihr an Beziehung zu anderen Personen fehlte, mußte sie durch ständige Bemühung ersetzen – vielleicht ursprünglich des Glaubens, jene ließe sich durch diese erreichen – und schließlich lief das auf Ermüdung hinaus, als ihr sozusagen auf diesem Felde alles ausblieb. Sie konnte sich da in nichts hineinstürzen. Im Grunde war der alte Clayton, ihr Schwiegervater, noch der einzige Mensch, dessen Gesellschaft ihr gut tat. Er war’s, der ihrer austrocknenden und ausgetrockneten Sicht standhielt. Bob blieb ein Kindskopf, der sich über eine Gebirgsbahn freute oder über ein Tier im Wasser staunte, und sich in Beirut bei Geschäftsabschlüssen übers Ohr hauen ließ.
    Und Donald war ein Kind. Was wußte man schon.
    Mit dem ganz Alten ging’s noch am besten. Ein alter Mann. Er wird ihr fehlen.
    Chwostik war lustig, ja. Milo war nun längst fort. Ein schöner Bursch. Ein Südländer.
    Das braune Kabinett hier hatte in die Täfelung eingelassene Bilder von Vorfahren, und schwere foliantenartige

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