Die Wasserfälle von Slunj
ersten Augenblicke an zusehends, und kaum war der Großvater Clayton nach Wien abgereist, so kam es hier schon zu einem Zusammenstoß. Es mag sein, daß Frau Cheef einen einzelnen Umstand am meisten übel genommen hat: Kate wurde vom Großvater ebenso zu den Mahlzeiten zugezogen wie sie selbst; dies empfand die Haushaltsdame in eigensinniger Weise als Herabsetzung. Am gleichen Tage, als der Großvater Brindley-Hall verlassen hatte, um zum Kontinent zu reisen, begegnete ihr auf dem breiten Gang vor Donald’s Zimmer die Kate Thürriegl, welche, die Guitarre umgehängt, Donald abholen wollte, um mit ihm in den Park zu gehen. „Sie können hier nicht eintreten“, sagte Mrs. Cheef in einem vielleicht allzu entschiedenen Tone, „Donald hat jetzt seine Lernstunde.“ Das war gelogen, und die Thürriegl wußte es, denn sie kannte des Großvaters ein für alle Mal festgelegte Tageseinteilung für den Enkel, die stets eingehalten wurde. Sie erlaubte sich also die Bemerkung, daß jetzt garkeine Lernstunde sei. „Ich bin“, entgegnete Mrs. Cheef, und wurde dabei schon recht laut, „verantwortlich für Donald’s Fortschritte während der Abwesenheit des alten Herrn. Er wird ihn nach seiner Rückkehr streng prüfen. Ich gestatte nicht, daß Sie, Miß Thürriegl, Donald vom Lernen abhalten.“ „Das fällt mir garnicht ein“, rief Kate, und auch nicht mehr gerade leise, „aber Sie tun ja rein, als ob Sie Donald gepachtet hätten. Ich kenne ihn weit länger als Sie.“ Hier hatte Kate schon einen etwas kreischenden Ton in der Stimme. Eben in diesen Augenblicken aber öffnete sich die Tür halb, Donald sah heraus, sagte in ruhigem und eigentlich artigem Tone „Please stop that noise“ und war alsbald wieder verschwunden.
Mrs. Cheef entfernte sich ohne ein weiteres Wort, und ebenso Kate Thürriegl mit ihrer Guitarre, aber nach der anderen Seite.
Der Auftritt bleibt erstaunlich. Daß Donald, als er die Thürriegl mit der Guitarre sah, ihr nicht sogleich folgen wollte! Dies wäre freilich auf eine Parteinahme gegen Mrs. Cheef hinausgelaufen und mindestens auf eine Unterstützung von Kate’s Behauptung, daß jetzt garkeine Lernstunde sei.
Nichts von alledem geschah. Wir haben eine einzige Erklärung für Donald’s Verhalten: daß nämlich seine geheimen Nöte zu jener Zeit schon nachließen – daß sich ihr Griff lockerte – oder aber, daß sie ihm gerade damals wieder einmal fern gerückt, ja unvorstellbar geworden waren.
F reilich kam auch die Mutter, einmal mit Kate, sonst, wenn der Großvater da blieb. Gegen Harriet konnte Mrs. Cheef sich in keiner Weise durchsetzen, und ihre rechte Affenliebe für Donald mußte der Mutter Raum geben. Auch bildeten der alte Herr und Harriet zusammen eine Art Block, gegen den in keiner Weise anzugehen war, der einem Guerillakrieg der Eifersucht keinerlei Möglichkeiten bot. Zudem, Harriet beanspruchte den Knaben kaum für sich. Sie ließ ihn laufen, man kann es nicht anders sagen. War Donald ein bequemes Kind, so Harriet eine bequeme Mutter. Undurchsichtig und unbeteiligt erschienen sie beide. Dem Schwiegervater galt Harriet’s größte Sorgfalt. Den hochbetagten Mann begleitete sie auf seinem täglichen Ritt, der wohl nur mehr eine halbe Stunde dauerte, von welchem er aber niemals abließ. In den ersten Jahren ritt Harriet dabei ihren Fuchs, auf welchem Donald später noch reiten gelernt hat. Alles mit Schleifzügeln (ausgenommen das Reiten-Lernen).
In der ersten Zeit konnte sie hier in England noch ihren alten Onkel besuchen, bei dem sie aufgezogen worden war, in Pompe-House, ein paar Meilen nur von Brindley-Hall entfernt. Er hatte das reiche, aber früh verwaiste Kind von seinem Bruder in Kanada gewissermaßen geerbt. Nach seinem Tode fiel auch Pompe-House an Harriet, die freilich zunächst damit nicht viel anzufangen wußte. Aber sie hätte sich nie dazu verstanden, ein ihr gehörendes Stück englischen Bodens zu verkaufen, und schon garnicht, seit sie im Ausland lebte. Jetzt ritt sie manchmal hinüber.
Rechts vom Parktor weg (links ging es nach Chifflington), durch den schmalen Wald auf der Höhe, und dann senkte sich der oft gewendete Weg den sanften gegliederten Abfall des Terrains bis zum Flusse hinab, dessen dreimal gebogenen, fast stehend-spiegelnden Lauf sie während des Hinunter-Reitens immer wieder sehen konnte. Nach der Brücke ging es bald bergan. Am Hügelkamme oben, wo die Straße sich nach links kehrte, bog Harriet in einen Wiesenweg und galoppierte nach
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