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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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Schnauzen garnicht so häufig (denn es gehört schon was dazu). Die Mutter Harbach, wie sie jetzt den beiden, langen Engländern‘ (so nannte sie Robert und Donald bei sich) entgegen wallte, war eine schöne Frau, und sie übte das auch aus, und vermochte sich noch lange nicht von diesem durch ein ganzes Leben geliebten und geübten Metier und der damit verbundenen Raumverdrängung durch die eigene Person zu trennen: sehr im Gegenteile; ihre Passion in dieser Richtung war zusehends heftiger geworden. Man muß aber hier sich daran erinnern, daß zu jener Zeit eine Frau über Fünfzig bereits als alte Dame galt; die war nun Frau Harbach wirklich nicht, und sie befand sich auch weit davon entfernt, eine solche Rolle zu übernehmen. Das aber tat dem Pferdestall nicht gut. So wird man kein Stallmeister, der seine Gäule vorführt und placiert. Das wollte sie natürlich auch. Aber es gelang ihr nicht. Man konnte die Pferde nie recht sehen, genau genommen, sie drängte sich dazwischen, sie stand ihnen im Lichte. Und jenes verdächtige aber unleugbare Fluidum, das sich zwischen jeder schönen und überreifen Frau und jedem sehr jungen Manne immer und sofort spüren läßt, lenkte die Aufmerksamkeit stets von Hilda oder Grete oder Jenny, oder wie sie da schon jeweils heißen mochte, ab und ließ die Lebens-Spannung und den Stand des Selbstwert-Pegels bei der Mutter steigen, ohne daß je was überfloß, ohne daß je was Unerlaubtes zugelassen, versucht oder gar effektuiert wurde. Aber doch ward so manches Gespinst, das sich um eine Hedi oder Pipsi (besonders die Jüngsten hatten neuestens zu leiden!) schon zusammenziehen wollte, gestört und zerschnitten, wo doch eine offizielle Effektuierung, beziehungsweise die Vorbereitungen zu einer solchen, wahrlich am Platze gewesen wären; und mit hoher, ja, höchster Zeit, was Hilda oder Grete betraf. Nein, so verkauft man keine Pferde. Die jüngste Tochter, Pipsi, war übrigens als einzige kein solches, sondern etwas kleiner, schon normaleren Maßes.
    Sie war dunkel, die Frau Harbach. Das Blond der Töchter kam vom Vater her. Heute war es bei ihm längst unsichtbar geworden, und Herr Ingenieur Harbach – übrigens ein außerordentlicher Textil-Technologe – glatzte spiegelnd garnicht weit unter dem Kronleuchter, was allein die Engländer sehen konnten, die seine Ofengröße noch um ein geringes überragten (und auch sämtliche Hildas). Seine Frau gab ihm an Imposanz nicht viel nach, in keiner Dimension, und in einigen übertraf sie ihn naturgemäß bei weitem. Ihr Décollete jetzt im Abendkleid war ein makellos gleißender Gletscher. (Harbach ist übrigens für eine schöne, reife und üppige Frau ein fürchterlicher Name; gleichsam in Schwebe über Abgründen.)
    Man sieht, daß sowohl Robert (als Witwer) wie Donald, als sein Sohn, hier hoch notieren mußten. Es bleibt immer eine mindere Sache, als Sohn hoch zu notieren, aber die meisten Söhne von solcher Sorte fühlen sich davon nicht gestört, ja, sie genießen es geradezu; kaum jemals spüren sie, daß da was nicht stimmt. Auch Donald spürte nichts, genoß aber den Sachverhalt kaum. Wir haben auch sonst wenig Gespür bei ihm bemerkt, bisher; höchstens im Traum; und das war längst vergangen.
    Eine Hilda kam heran, und es ging wie gewöhnlich: die Mutter hatte schon fluidische Spannung zwischen sich und Donald etabliert (so vermeinte sie sieghaft, aber Donald war eben Donald und ohne Gespür), die Tochter stand dann weiterhin dumm dabei, und trollte sich wieder.
    Gleich danach wurden die beiden Herren von dem Commercialrate Gollwitzer begrüßt. Von diesem Mann hatte Robert Clayton einst die Villa im Prater gekauft, wie man sich vielleicht erinnert. Gollwitzer war nun freilich schon ein alter Schurk‘ und Widerling geworden (damals war er ein junger von solcher Art, also eigentlich auch schon alt gewesen; derartige Leute werden bald rundum nur mehr mit Vorsicht genossen: und leben dabei angenehmer und, vor allem, unbelästigter als alle anständigen Menschen). Nun hatte aber Gollwitzer für Clayton auch heute noch einige Bedeutung: sie lag nicht so sehr in der Position, die jener sowohl in der Handelskammer wie im Industriellenverband einnahm, als vielmehr darin, daß Gollwitzers Bruder in Bukarest Mitinhaber der Firma Gollwitzer & Putnik war, damals das größte Handelsunternehmen für landwirtschaftliche Maschinen, Werkzeuge und Behelfe aller Art auf dem Balkan, jedoch ohne Fabrikation. Durch Milo’s Freund, den jungen und

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