Die Wasserfälle von Slunj
Springbrunnen sprudelte, davon frisches Wasser in beide Hälften abfloß. Auf der einen Seite sah Donald jetzt unter kleinen, schwimmenden Seerosen-Blättern zwei dicke Goldfische langsam hervorkommen. Sie leuchteten geradezu auf mit ihrem hellen Rot. Die schmückenden Tiere zogen durch das Becken, in eleganter und zugleich träger Art, mit einem Mindestaufwand von Bewegung ihrer Schwanzflossen.
Natürlich würde der Vater seine vorzeitige Rückkunft bemerken oder durch den Chauffeur davon erfahren.
Diese kleine Erwägung nahm Donald den Wind aus den Segeln, die sich schon zur Abfahrt von hier gespannt hatten. Er sah auf, da ihm plötzlich etwas zu fehlen schien: das Stimmengewoge aus den anliegenden Räumen war verstummt, sie lagen leer (der eröffnete große Speise-Saal mit dem Buffet hatte die Gäste abgesaugt). Donald mußte jetzt hintennach erkennen, daß er ganz versunken und zerstreut gewesen war, in’s Wasser und auf die sich bewegenden Fische starrend. Jetzt hätte er leicht durch die leeren Zimmer in das Vestibül gelangen können. Indessen, man trat hier eilig ein. Es war eine kleine jüngere Dame, dunkel gekleidet, mit glänzend schwarzem Haar, und hinter ihr zeppelte der alte Doctor Eptinger, dessen Spitzbart längst schneeweiß geworden war. „Leg’s hier rückwärts hin, wir holen’s dann wieder“, sagte er schnell. Und jetzt erblickte er Donald. „Ja, Herr Ingenieur, was machen denn Sie da ganz allein?!“
Es schien Donald das alles passend zu Gollwitzer. Man wurde da überrascht. Fische schwammen herum. Ein Haus voll Tücken und Nücken. Doctor Eptinger stellte ihn seiner Nichte vor. Donald befand sich im Zustande einer unversperrt stehen gelassenen Wohnung, in die jeder von der Straße hereinspazieren kann. Das Fräulein Ingenieur(!) Bachler suchte inzwischen einen Platz, wo sie ihr Réticule deponieren konnte, das ihr am Buffet lästig wäre, so sagte sie, weil man Tellerchen halten müsse, und noch anderes dazu. Es fand sich eine geeignete Depotstelle hinter der Palmengruppe, wo die Umfassungs-Mauer des kleinen Teiches sich zu einer Art Sitz verbreiterte.
Wir müssen sagen, daß sie ihrem nun längst verstorbenen Vater, dem Oberlandesgerichtsrate Doctor Keibl, sehr ähnlich geworden war, die kleine Monica. Auch ihr eignete eine gemessene Zier der Bewegungen; doch schien das hübsche Gesicht von einer wachen Schärfe durchdrungen, die hier zu einem Reiz sich entwickelt, bei der Mutter aber stets leicht säuerlich gewirkt hatte (und noch heute war es nicht anders).
So kam Donald dann mit den beiden in den Speisesaal. Die Bachler steckte schon wie ein Pfeil in ihm, durch eine seiner zerstreut offenstehenden Türen hereingeflogen. Als man Languste und Chablis und petits fours von Gerstner, mit Glück balancierend (zu Gollwitzer hätte es gut gepaßt, wäre einem alles auf die weiße Hemdbrust gefallen!), hinter sich gebracht hatte, und der alte Eptinger in ein Spielzimmer verschwunden war, ragte der fest sitzende Pfeil schon fühlbar aus Donald heraus. Es war ein unbequemes Tragen. Er mußte es feststellen. Er hatte es kommen sehen(?!).
Sie ließ später ihren Onkel allein heimfahren, für den ja der Umweg über Döbling, wo sie vorläufig noch bei ihren Eltern wohnte (vorläufig! sagte sie), ein sehr weiter gewesen wäre, und der Knight-Minerva fuhr dann ganz den gleichen Umweg. Inzwischen hatte Donald schon gehört, woher sie kam und was sie hier in Wien tat.
Es ist anzumerken, daß Monica nicht jünger aussah als sie war, weit über Mitte der Dreißig, wie man sich erinnert. Das hing wohl mit der wachen Schärfe zusammen.
Im Wagen bemerkte sie beiläufig, daß sie nicht daran denke, hier in Wien dauernd bei ihren Eltern zu leben. Sie sei das nicht mehr gewohnt. Diese Gegend hier wäre ihr recht (sie fuhren eben durch die Hietzinger Hauptstraße). Im übrigen wolle sie von nun an mit ihm nur mehr englisch reden, der Übung halber. Diesen letzten Satz sagte sie schon in englischer Sprache und blieb dabei. Die Äußerung wirkte auf Donald frappierend, ja, erregend, wie das Werfen einer Brücke, einer Enterbrücke: weiterer Umgang wurde damit in selbstverständlicher Weise vorausgesetzt. „Mein Onkel ist schon lange Anwalt Ihrer Firma, wie?“ „Er war es von Anfang an hier in Wien“, sagte Donald, „das Unternehmen hat ihm viel zu danken.“ Nun spazierte sie schon über die Brücke herüber. Ihr müheloses und nachlässiges Reden in englischer Sprache war erstaunlich. Sie
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