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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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war eine Volks-Schule angeschlossen als Übungs-Stätte für die werdenden Pädagogen. Heribert und Augustus schritten hier wie auf einem Kamme dahin, der freie Aussicht gewährte: so kann ihre Verfassung bezeichnet werden, wie sie einherschlenderten, zur rechten Zeit und gemächlich, wohlgepflegt und sorgfältig vorbereitet. Sie konnten dem Unterrichte als einem Vergnügen entgegen sehen. Freilich waren sie weit davon entfernt, auch nur zu ahnen, daß solche gipfelhafte Glücks-Lagen im Leben zu den seltensten Sachen überhaupt gehören. Das Genießen ihres gemächlichen Gehens und Sprechens war wohl da, aber noch keineswegs gehöht durch irgendeinen Vergleich; als welcher jedoch für den Heribert von Wasmut eigentlich hätte recht nahe gelegen; denn er war keineswegs immer ein so guter Schüler und konsolidierter Lernender gewesen; sondern vor Jahr und Tag hatte er nichts gelernt und am hastigen Schulweg schon bald mehr Sorgen gehabt, wegen des Nicht-präpariertseins in sämtlichen Gegenständen, mehr Sorgen als Haare auf dem Kopfe. Aber das alles hatte er vollständig vergessen.
    Zdenko allein war’s, der sich früherer Zustände gelegentlich noch zu erinnern vermochte. Aber meistens nur im Halbschlaf.
    Sie trieben es in ihrem M.C. schon bald so weit, daß die Ansprüche, die sie an einander stellten, strengere waren als die der Schule.
    Doch alles nur wegen der Eleganz. Wegen ihres merkwürdigen Dandy-Tums, das sich von der Schule durchaus nicht imponieren lassen wollte. Doch war es nicht Blasiertheit. Es war echte Romantik, daß sie hier die jungen Herren spielten. Fraglich ist’s, ob das von dem verschmitzten dicken Augustus ganz verstanden wurde. Für ihn war das Lernen wohl mehr eine Art Sport – ansonst war er übrigens faul und bequem, und die Reitstunden, die er auf Geheiß Robert Clayton’s in einer nahe gelegenen Manege nehmen mußte, waren sehr wenig nach seinem Geschmack. Übrigens lernten auch die anderen Buben reiten. Nur Zdenko war darin längst perfekt.
    Sicher ist, daß der Canadier nicht wußte und garnicht wissen konnte, wohin Heribert jetzt gezielt hatte mit seiner fast erstaunten Frage, ob Augustus denn wirklich ein Maschinen-Ingenieur werden wolle? Der junge Herr von Wasmut indessen schien gewillt, es ihm zu erklären. Freilich war das ein ganz vergeblicher Versuch; denn die Tendenz, welcher Heribert folgte, mußte für den Dicken aus Übersee immer unverständlich bleiben. Es kam fast so heraus, als sei der Ingenieurberuf einem Mitgliede des M.C. nicht angemessen! „Sie genießen bei uns keinen gesellschaftlichen Rang“, sagte Wasmut und meinte die Ingenieure. „Es ist bei einigen Berufen so. Zum Beispiel bei den Zahnärzten, den Gymnasialprofessoren oder den aktiven Offizieren der Infanterie. Solche Leute kommen in der Gesellschaft garnicht vor. Bei den Ingenieuren geht es allerdings nicht so weit.“
    Den Augustus, der ja nicht aus einer beamten-hierarchischen Nation stammte, sondern aus einem noch immer im Grunde colonialen Land, wo ursprünglich allein der Pionier einen Rang hätte haben können (wäre es dabei überhaupt um Ränge gegangen), konnte das, was Heribert da vorbrachte, mit der eigentlichen Spitze der Meinung garnicht berühren.
    „Es kann doch auch ein Zahnarzt oder ein Professor ein Gentleman sein“, sagte er und machte damit erst sein völliges Unverständnis offenkundig.
    „Da hast du selbstverständlich ganz recht“, sagte Heribert und gab es damit auf, sich dem Augustus verständlich zu machen; und, bei der Sache bleibend, wechselte er doch zugleich den Gegenstand des Gespräches. „Ich für mein Teil möchte die Carrière eines Verwaltungsbeamten ergreifen und dazu selbstverständlich Jus studieren. Ich will auch nicht umsonst ein humanistisches Gymnasium gemacht und Griechisch und Latein gelernt haben. Tut es dir nicht ein wenig leid, Augustus, ein Hochschulstudium zu wählen, das damit überhaupt nichts mehr zu tun hat? Du wirst dich sozusagen vergebens geplagt haben.“
    „Glaub’ ich nicht, Heribert“ (er pflegte diesen Namen immer französisch auszusprechen), sagte Augustus und lachte. „Mindestens wird es mir dann auch als Ingenieur leichter sein, ein Gentleman zu werden.“
    Dumm ist er aber schon garnicht, das Dickerl! dachte Wasmut bei sich. Sie schwenkten zur Pforte des Gymnasiums. Fast unmittelbar hinter den jungen Leuten betrat auch Herr Professor Doctor Petschenka das Gebäude. Doch stieg er jetzt die Treppen ganz langsam hinauf und blieb

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