Die Wasserfälle von Slunj
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W ährend Donald und Chwostik noch sausten, gollwitzerten und putnikten, betrieb der letztere doch schon im ausgehenden Winter Reisevorbereitungen. Allerdings nicht solche wie vor mehr als dreißig Jahren, als er Koffer kaufte und in diesen seine Schätze barg, um schließlich, zum maßlosen Erstaunen des Knollengewächses Wewerka, wie ein auslaufendes Schiff zwischen den Molen (moles heißt auf lateinisch die Masse) Feverl und Finy hervorzusteuern, die sehr nahen und doch sehr fernen Küsten der Weißgerberstraße anzielend. Nein, Koffer und Garderobe und dergleichen waren längst Routine-Sachen geworden. Es ging um anderes. Es ging um die Reiseroute, um ihren Aufbau, könnte man sagen, um die richtige Aufeinanderfolge der aufzusuchenden Orte.
Auch jetzt gedachte Chwostik seine Rundreise – auf welcher Donald Clayton ihn begleiten sollte – im vorderen Orient zu beginnen, also am entferntesten Punkte, nicht am nächsten: heißt das, zunächst einmal ohne alle Zwischenaufenthalte direkt nach Beirut (und Damaskus) zu fahren, zur See und auf einem Schiffe des Österreichischen Lloyd, mit der ,Graf Wurmbrand‘ etwa oder der ,Cobra‘ oder ,Wien‘, was durchaus vergnüglich werden konnte. Die Raison dafür, solchermaßen das Pferd beim Schwanz aufzuzäumen, war ganz einfach. Weil man nämlich – erfahrungsgemäß – zwar in Budapest, Belgrad oder Sofia einen Begriff von Beirut oder Damaskus hatte, und somit eine richtige Einschätzung dafür, wenn einer mit einer Mappe voll Aufträgen von dort heim zur Firma reiste, nicht aber in Damaskus irgendeine Vorstellung von Belgrad oder Bukarest anzutreffen war oder vorausgesetzt werden durfte. Und so sollte denn die schöne Reise auf einem der komfortablen Schiffe, bei glänzender Verpflegung und mancherlei Geselligkeit, vorangehen. Chwostik freute sich jetzt schon auf den Augenblick, wenn die „Graf Wurmbrand“ von der Pier in Triest ablegen würde, unter den langsam-getragenen und feierlichen Klängen der österreichischen Volkshymne, von der Schiffskapelle am Oberdeck gespielt. Das war jedesmal sehr schön.
Inzwischen fand bei Doctor Bachler in der Colloredogasse der Empfang für Tochter Ing. Monica statt, zu welchem Donald ja auf eine jeden Widerspruch ausschließende Weise geladen worden war.
Sie kam ihm durch zwei weite weiße Vorzimmer rasch und leicht entgegen; rechts ging’s zur Ordination des Alten (immer noch Feschak! den werden wir uns doch endlich auch einmal vorknöpfen müssen!). Und so begrüßte sie Donald ganz allein. Dieser wäre auch gerne mit ihr hier alleine im Vorzimmer geblieben. Aber es hieß eintreten, und die ersten, die Donald entgegen traten, waren zwei einstmalige Mitglieder des Techniker-Ball-Comité’s, Radinger und Martinek (klingt wie ein Firmen-Name, jedoch waren es zwei konkrete und verschiedene Personen). Ansonst schien ihm hier bald eine Gollwitzerische Filiale zu herrschen – das heißt, man sprach durchaus von Sachen, die Donald (und vielleicht auch den beiden anderen Ingenieuren) nicht nur unbekannt, sondern total gleichgültig waren. Wie denn anders hätte dieses, von Ing. Monica gut manövrierte Compositum oder eigentlich Antipositum aus Sigmund Freud und Otto Weininger auf die Herren wirken sollen.
Weil man aber lustig trank und von vielerlei kleinen Tellerchen dazu aß, wurden auch die Außenstehenden in’s Gespräch gezogen, das heißt, sie mischten sich schließlich hinein, und das hatte zur Folge, daß man sie belehrte, wogegen sie sich natürlich wehrten. Und dies alles brachte, wenn auch nur durch wenige Minuten, eine Situation hervor (bevor das Gespräch wieder in kleine Grüppchen zerfiel), in der alle ausnahmslos vermeinten, wirklich zu wissen, wovon gesprochen werde, obwohl das doch garnicht der Fall war. Es befanden sich hier im mittleren Salon etwa fünfzehn Personen; nebenan gab’s auch noch welche.
Donald rührte sich nicht. Wir wissen, daß er nicht dumm ist, das hat uns schon die Art gezeigt, wie er sein Hochschulstudium erledigte. Nur fehlten bei ihm jene – gewiß überflüssigen – Reaktionen, welche aber doch einen Menschen eigentlich erst unter die Leute bringen. Man könnte ruhig sagen, daß Donald seiner Zeit voraus war. So zum Beispiel empfand er vor der Langeweile nicht die geringste Scheu und in bezug auf die Langeweile auch keine Scham: weder wollte er jene aus einer Gesellschaft vertreiben, noch auch vor dieser verbergen. Solchen Leuten (heute ist man sie gewöhnt) fällt daher
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