Die Wassermuehle
Schweiß von der Stirn. „Wir hatten ihn wirklich nur kurz aus den Augen gelassen.“
Aus dem geöffneten Badezimmerfenster drang Gebrüll.
„Sei still! Du bist selbst schuld, dass ich so schrubben muss!“, rief Dominique.
Die letzten beiden Hennen flatterten gackernd über den Zaun. Der Hahn thronte auf dem Gartentor und krähte. Sein Brustgefieder schimmerte regenbogenfarben.
„Hoffentlich haben sie wenigstens die Schnecken mitgefressen“, sagte Vivienne.
Uwe sah verstohlen zum Atelier. Die Tür stand offen. „Ich glaube, die Schnecken sind das kleinste Problem.“
Vivienne stieß einen Schrei aus und rannte hinüber.
„Es tut mir wirklich leid.“
„So schlimm?“, fragte Hedi.
„Er wollte ein bisschen mit der nassen Erde und den Sonnenfarben spielen. Das hat er uns jedenfalls erzählt, als wir ihn herausholten.“
„Neiiin!“ Vivienne stolperte aus dem Atelier und verschwand im Haus. „Du bist das widerlichste Kind im ganzen Universum!“, hörten Hedi und Uwe ihre Stimme kurz darauf aus dem Bad.
„Das war der doofe Gockel und nicht ich!“, kreischte Christoph-Sebastian.
„Du bleibst gefälligst in der Wanne, bis du sauber bist!“, schrie Dominique.
„Was hast du mit meiner Blumenwiese gemacht, du Ekel?“
„Aua! Du reißt mir ja das Ohr ab, Tante Vivienne!“
„Du gehörst auf den Mond geschossen!“ Die Tür knallte, dass die Scheiben klirrten.
„Ich bin längst sauber“, brüllte Christoph-Sebastian.
„Dann mach, dass du ins Bett verschwindest!“
„Aber es ist doch noch gar nicht dunkel.“
„Für dich schon!“ Krachend flog das Badezimmerfenster zu.
Viviennes Blumenwiese lag auf dem Boden und sah aus, als wäre sie in einen Gewittersturm geraten; das ursprüngliche Motiv war nur noch durch die drei roten Flecken und den blauen Strich am unteren Bildrand zu erahnen. Über die Lasur war eine schmutzigrote Masse geschmiert worden, auf der sich der Inhalt verschiedener Farbtuben verteilte.
Hedi ging in ihre Werkstatt. Zwei Päckchen roter Ton waren aus den Tüchern gewickelt worden. Die Reste fanden sich auf dem Boden und in einem Eimer mit Kleister, der vom Renovieren herumstand. Zum Glück waren ihre frisch gebrannten Übertöpfe alle heil.
„Malen liegt ihm anscheinend mehr als Töpfern“, sagte Hedi, als sie ins Atelier zurückkam.
Uwe stellte umgestürzte Leinwände auf. „War das Christoph-Sebastian, oder sahen die vorher schon so aus?“
Hedi musste grinsen. „Lass das ja nicht Vivienne hören.“
Sie holte einen Besen und kehrte Tonkrümel und ein gutes Dutzend ausgedrückte Farbtuben zusammen. Uwe sammelte zwei Scheren, ein Brotmesser und Juliettes Stricknadeln ein.
Hedi stellte die Blumenwiese auf die Staffelei zurück. In einem feuchten Klumpen grellgrüner Ölfarbe klebten zwei Hühnerfedern. Die Leinwand war an mehreren Stellen verkratzt und eingerissen. In der linken oberen Ecke wies sie eine Delle auf. Die ungleichmäßig aufgetragene Tonschicht verlieh dem Bild ein außergewöhnliches Relief, in dem sich hier und dort Hühnerfüße abzeichneten.
„Hat Christoph-Sebastian etwa die Hennen durchs Atelier getrieben?“
„Nur den Hahn“, sagte Uwe. „Das heißt, er ist von selbst rein.“ Er holte eine Kehrschaufel. „Als ich mit Dominique von der Gärtnerei herüberkam, sahen wir ihn gerade flügelschlagend durch die Tür verschwinden. Wahrscheinlich war Christoph-Sebastian vorher nicht sehr nett zu ihm.“
„Rache für die Räucherkammer“, sagte Hedi. „Wie du weißt, musste unser Hofhahn eine Woche lang in Aschgrau herumlaufen.“ Sie schob den zusammengekehrten Unrat mit dem Besen auf die Schaufel.
Uwe zeigte auf die Blumenwiese. „Christoph-Sebastian benutzte das Bild als Schutzschild. Der Hahn war außer sich. Ich musste mit einem Eimer nach ihm werfen.“ Er bückte sich, nahm ein schmutziges biegsames Etwas von der Schaufel und hielt es Hedi hin. „Die Katzen hat Christoph-Sebastian auch gefüttert. Die Götter wissen, wie er auf die abstruse Idee kam, Salamiaufschnitt auf die Bilder zu werfen. Uns erzählte er, er habe beim Malen Hunger gehabt.“
Uwe wies auf zwei großformatige Leinwände, die wie die Blumenwiese mit bunten Reliefs verunziert waren. „Schauen Sie: Da sind eindeutig Katzenpfoten drauf, ein paar Salamireste und jede Menge Handabdrücke von Christoph-Sebastian. Messerwerfen hat er auch geübt.“
Hedi leerte die Schaufel; Uwe trug die beiden Bilder in die hinterste Ecke des Ateliers. Sie stellten die
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