Die Wassermuehle
für ein Ehepaar das Selbstverständlichste von der Welt, gemeinsam in Urlaub zu fahren und getrennt zurückzukommen. Er folgte Klaus ins Wohnzimmer und ließ sich erleichtert in einen Sessel fallen. „Diese Treppensteigerei ist ja höllisch! Hast du vielleicht was zu trinken für mich?“ Er grinste. „Es muss nicht unbedingt Wasser sein.“
Klaus holte zwei Bier aus dem Kühlschrank. Er setzte sich aufs Sofa und öffnete die Flaschen mit einem herumliegenden Feuerzeug.
Bernd nahm dankbar eine Flasche entgegen und trank einen großen Schluck. Klaus unterdrückte ein Gähnen. „Was kann ich für dich tun, Bruderherz?“
Bernd fuhr sich mit der Hand über den Mund. „Hattest du Nachtdienst?“
Klaus sah zur Uhr. „In zwei Stunden.“
„Oh. Wenn ich störe ...?“
„Ich nehme nicht an, dass du zum Kaffeekränzchen gekommen bist, oder? Also: Was hast du angestellt? Bei Rot über eine Ampel gefahren? Das Finanzamt beschissen? Deine Angetraute in einer Lagune ertränkt?“
„Äh ... nein. Es geht um Frau Belrot, und ich dachte, als Polizist kennst du dich vielleicht damit aus. “
Klaus wurde schlagartig munter. „Womit?“
Bernd wischte sich den Schweiß von der Stirn, knöpfte seine Jacke auf und nestelte an seinem Schlips. „Anette hat vor unserem Urlaub Bilder bei ihr gekauft. Irgendwie ist mir die Sache nicht geheuer.“
„Die ganze Frau ist mir nicht geheuer.“
Bernd nahm eine Schachtel Zigaretten aus seiner Jacke. „Da haben wir was gemeinsam, Brüderchen. Darf man bei dir rauchen?“
Klaus nickte und holte einen Aschenbecher. „Gib mir auch eine.“
Bernd hielt ihm die Packung hin. „Seit wann rauchst du denn wieder?“
Klaus zündete sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. „Seit zwei Sekunden.“
Bernd lachte. „Na denn! Ich lernte die Belrot im vergangenen Jahr auf einem Empfang in Frankfurt kennen. Sie war mit einem eingebildeten jungen Schnösel da, der behauptete, Kunstmakler zu sein. Ich hatte unsere Begegnung schon vergessen, als Anette mir vor einigen Wochen den Brief einer Frau von Eschenberg zeigte, die sich als Inhaberin einer international tätigen Kunstagentur vorstellte und Bilder von Frau Belrot zum Vorzugspreis anbot. Sie prognostizierte eine erhebliche Wertsteigerung für die kommenden Jahre. Ich habe versucht, mich über die Dame zu erkundigen. Egal, wen ich frage: Antoinette von Eschenberg kennt kein Mensch. Dabei soll sie angeblich auch ein Büro in Frankfurt haben oder sogar dort wohnen. Auf dem Brief stand allerdings nur eine Pariser Adresse.“
„Vielleicht hast du die falschen Leute gefragt.“
„Deshalb bin ich ja hier. Ich finde es schlimm genug, dass meine Frau dabei ist, aus unserem Haus eine Privatgalerie für sogenannte Moderne Kunst zu machen, die derart unästhetisch ist, dass man sie mit einem Preis für Hässlichkeit auszeichnen müsste. Aber wenn ich diese avantgardistischen Scheußlichkeiten schon auf Schritt und Tritt ertragen muss, hätte ich wenigstens gern gewusst, ob der Preis stimmt.“
„Wieviel hat Anette bezahlt?“
„Dreißigtausend.“
Klaus ließ fast die Bierflasche fallen.
„Für zehn Bilder.“
„Macht’s das besser?“
Bernd zuckte mit den Schultern. Klaus fragte sich, wie man so dämlich sein konnte, für eine Sammlung von Farbklecksen fast ein Jahresgehalt zum Fenster hinauszuwerfen. Bernd trank sein Bier aus.
„Noch eins?“, fragte Klaus.
Bernd nickte.
„Ich werde mich ein bisschen umhören“, sagte Klaus, als er mit der Flasche zurückkam. „Zumal ich selbst ein gewisses Interesse an der Aufklärung der Angelegenheit habe. Immerhin hat die werte Künstlerin mich zum Strohwitwer gemacht.“
Bernd prostete ihm zu. „Danke für deine Hilfe.“
Klaus grinste. „Gehe ich recht in der Annahme, dass Anette von deinem Besuch bei mir erst einmal nichts erfahren sollte?“
„Allerdings.“ Bernd zückte eine Visitenkarte. „Ruf mich unter einer der Nummern hier an. Sollte ich nicht im Büro sein, kannst du in meinem Vorzimmer eine Nachricht hinterlassen. Hat deine Frau eigentlich vor, im Odenwald Wurzeln zu schlagen?“
„Ich habe die Hoffnung, dass ihr das Landleben irgendwann auf den Wecker geht. Spätestens, wenn sie im Winter da draußen einschneit.“
„Bis dahin sind es noch ein paar Monate.“
„Bist du extra wegen der Bilder früher aus dem Urlaub gekommen?“
„Nein. Ich konnte Anette nicht länger ertragen.“
Klaus sah seinen Bruder ungläubig an. Bernd zuckte mit den
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