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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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wie es in ihnen lebt, die davon besessen sind. Ihre Werke sind lebendig, weil sie dem Leben entstammen. Klingt das nicht wunderbar?“
    „Ich kann mir nicht mal die erste Strophe vom Lied von der Glocke merken“, sagte Hedi.
    „Dafür weißt du, wie man Reis ins Wasser kippt.“
    „Und dass im Odenwald keine Pampelmusen wachsen.“
    Vivienne lachte und platzierte einen zweiten roten Fleck. „Monet war Perfektionist im Einfangen des äußeren Lichts. Ich strebe das Gleiche für das innere Licht an.“
    Hedi seufzte. „Was bedeutet das jetzt wieder?“
    Vivienne ließ Pinsel und Palette sinken. „Mystiker in aller Welt behaupten, dass sie Lichtphänomene um die Köpfe der Menschen sehen. Auf den Bildern alter Meister finden wir aurische Emanationen oft durch Heiligenscheine dargestellt. Indem wir lernen, diese Gaben der Schönheit, der Liebe und des Glücks zu nutzen, öffnen wir Fenster zu neuen Welten des Geistes und der Seele.“
    „Mhm.“
    „Kinder sind beispielsweise sehr begabt dafür, Aurafelder zu spüren. In ihren Zeichnungen umgeben sie Figuren oft mit ungewöhnlichen Farbschattierungen. Damit drücken sie aus, welche feinstofflichen Energien sie beim Malen wahrnehmen.“
    „Der arme Christoph-Sebastian muss in der Hölle leben.“
    „Wir sollten wieder lernen, die Welt um uns herum mit den Augen eines Kindes zu sehen.“ Vivienne betrachtete nachdenklich ihre Blumenwiese. „Farben spiegeln physische und spirituelle Aspekte. Sie können stimulieren oder deprimieren, Positives und Negatives symbolisieren. Wenn sie in der Aura eines Menschen wahrgenommen werden, sind sie ein Schlüssel zum Verständnis seiner Persönlichkeit.“
    Hedi grinste. „Was symbolisiert quietschgelb?“
    „Das Zeichen der aufgehenden Sonne: Leichtigkeit, Weisheit, die Macht der Ideen. Glück und Überschwänglichkeit.“
    „Welche Sockenfarbe bevorzugte Monet?“
    „Er hatte eine zitronengelbe Holzvertäfelung in seinem Esszimmer.“
    „Untersteh dich!“
    „Du verstehst nicht wirklich, von was ich rede, oder?“
    „Was bedeutet lila?“
    „Fantasie und Magie. Verwandlung. Die Verbindung von Herz und Geist.“ Vivienne tupfte einen dritten roten Klecks auf das Bild. „Rot ist Feuer und Energie, lodernde Leidenschaft, Liebe und Mut, Hass und Wut.“
    Sie verband die Punkte mit einem dicken dunkelblauen Strich. „Einsamkeit und Hingabe. Das ist der glücklichen Stunde Sinn: Ich und die Farbe sind eins.“
    Hedi rieb sich das Kinn. „Monet hätte wohl ein Weizenfeld gemalt: Ähren, Kornblumen, Mohn. Dazwischen ein paar Kornraden und grünes Unkrautgewucher.“
    „Du vergisst das Lila.“
    „Elli sagt, Kornraden sind zuweilen purpurfarben. Und ziemlich giftig. Notfalls könnte man aber auch eine Kuh dazwischen stellen.“
    „Wie bitte?“
    „Heute Morgen habe ich in der Zeitung gelesen, dass annähernd sechzig Prozent aller Vorschulkinder glauben, dass Milchkühe lila sind.“
    „Mir ist die Sache ernst, Hedi!“
    „Immerhin noch vierzig Prozent sind davon überzeugt, dass Kälber mit dem Aufdruck Milka zur Welt kommen. Und ein weiteres Viertel behauptet, Baumwolle wachse auf Schafen.“
    Vivienne verzog das Gesicht. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass es völlig sinnlos ist, sich mit dir zu unterhalten.“
    Hedi lächelte. „Meine Töpferscheibe wartet.“
    Sie ging nach nebenan in ihre Werkstatt, wickelte einen feuchten Klumpen Ton aus den Tüchern und vergaß die Welt.
    Nach dem Kaffeetrinken schlug Vivienne vor, einen Spaziergang zu machen. Hedi wollte eigentlich Wäsche bügeln, aber Vivienne überredete sie, die Hausarbeit aufs nächste Tief zu verschieben. Uwe und Dominique versprachen, auf Christoph-Sebastian aufzupassen.
    Sie wanderten am Mühlbach entlang. Es war sonnig und heiß, aber die Erlen am Bachufer spendeten wohltuenden Schatten. Vivienne zeigte Hedi die Blumenwiese, die sie zu ihrem Bild inspiriert hatte. Über blühenden Disteln flatterten Schmetterlinge. Es roch nach Kräutern, und Lerchen sangen. Auf einer bemoosten Steinbank am Bachufer machten sie Rast. Sie schauten dem Wasser zu, das über Wurzeln und Steine gluckerte, und brauchten keine Worte, um sich zu verstehen. Die alte Mühle war ihr Zuhause, und alles andere würde sich schon irgendwie ergeben.
    Als sie zurückkamen, war Uwe dabei, die Hühner aus dem Gemüsegarten zu verscheuchen. Salatbeet und Kräuterrondell sahen aus wie frisch gepflügt.
    „Was ist denn hier los?“, fragte Hedi entsetzt.
    Uwe wischte sich den

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