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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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Mähre sitzen.“
    Hedi lachte. „Das habe ich schon mal irgendwo gehört.“
    „Der Feuerreiter von Eduard Mörike.“
    Sie wies auf das rostüberzogene Räderwerk. „Mein Großvater kannte jedes einzelne Schräubchen mit Namen. Das Klappern besorgte nicht der Knochenmann, sondern der Mühlentanzmeister. Bis zu meinem siebten Geburtstag war ich davon überzeugt, dass da irgendwo ein Wichtelmännchen zwischen den Zahnrädern hockt und mit einem Kochlöffel um sich schlägt.“
    Wolfgang Bernsdorf stand lachend auf, ging zu einem der Fensterchen und schaute hinaus. Hedi stellte sich neben ihn. Sie hörten das Rauschen des Mühlbachs, der an dem moosüberzogenen, verwitterten Mühlrad vorbeischoss. Das Rad hing schief, die Holzschaufeln waren zerbrochen. Zwischen Mühlgraben und Haus wucherte Gestrüpp.
    „Sie sollten hier oben ein kleines Museum einrichten.“
    Hedi seufzte. „Wenn ich das Geld dazu hätte, sofort.“
    Er sah sie erstaunt an. „Warum sprechen Sie nicht mit Frau Belrot?“
    „Zuerst müssen wir das Wohnhaus renovieren.“
    „Reden Sie ihr das Hamburger Kunstforum aus.“
    „Ich glaube nicht, dass Vivienne sich als Museumsführerin eignet.“
    „Warum sollte sie? Die Geschichte vom Mühlentanzmeister können Sie viel besser erzählen.“
    „Da gibt’s nicht viel zu erzählen: Die Wichtelmänner waren drei profane Nocken an der Antriebswelle, die durch Stöße dafür sorgten, dass das Korn gleichmäßig zwischen den Mahlsteinen verteilt wurde.“
    „Ihr technisches Know-how verblüfft mich. Da kann ich bestenfalls literarisch kontern. Wie wär’s damit? Ein Esel trug uns nach der Mühle. Ich sage dir, das sind Gefühle, wenn man zerrieben und gedrillt zum allerfeinsten Staubgebild ...“
    „... sich kaum besinnt und fast vergisst, ob Sonntag oder Montag ist“, ergänzte Hedi schmunzelnd. „Bei Wilhelm Busch kann sogar ich mithalten.“
    Ihm schien das Spielchen zu gefallen. „In einem kühlen Grunde, da geht ein Mühlenrad; mein Liebchen ist verschwunden, das dort gewohnet hat.“
    „Tja. Das hat meine Tante bis zu ihrem fünfundachtzigsten Geburtstag beim Forellenräuchern gesungen, Herr Bernsdorf.“
    „Und was hat sie an ihrem sechsundachtzigsten Geburtstag gemacht?“
    „Ihr Testament. Ich finde, Sie sollten sich jetzt Viviennes Bilder ansehen.“
    Er zeigte auf eine schmale Tür, über der eine Glocke hing. „Wir sind noch nicht fertig mit der Besichtigung, oder?“
    „Die Nachtglocke weckte den Müller, sobald er den Trichter nachfüllen musste“, sagte Hedi. „Sie wurde durch ein Seil ausgelöst, das mit einem Gewicht verbunden war. Das Gewicht sank mit dem Getreide zum Grund des Trichters, spannte das Seil und ließ die Glocke bimmeln. Die Mühlsteine durften niemals leer aufeinanderlaufen, sonst rieben sich die Rillen ihrer Oberflächen ab, und der Steinstaub mischte sich mit dem Mehl.“
    „Sieh an“, sagte er süffisant. „In dieser Kammer schlief also der böse Müller mit seiner hübschen Müllerin.“
    „Wir sehen uns im Atelier, Herr Bernsdorf.“
    Im Hof holte er sie ein. „Habe ich etwas Falsches gesagt?“
    „Ihrer Meinung nach offensichtlich nicht.“
    Er lächelte. „Darf ich Sie beim Vornamen nennen?“
    „Wenn’s hilft.“
    „Sie sind eine ungewöhnliche Frau, Hedi.“
    Sie schloss die Tür zum Atelier auf. „Genau wie Vivienne, was?“
    Hedi ließ ihn vorausgehen; er sah sich kurz um und kam zu ihr zurück. „Ich traf Frau Belrot vorgestern zufällig in der Kunsthalle Schirn in Frankfurt. Wir kamen ins Gespräch, und sie bot mir finanzielle Unterstützung für meine Ausstellung an. Nicht mehr und nicht weniger.“
    „Wie gefallen Ihnen ihre Arbeiten?“
    „Sie sind nicht übel, aber für meine Galerie nicht geeignet.“
    Hedi versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen. „Und warum nicht?“
    „Sie hat Talent, keine Frage. Aber ich habe bereits Künstler verpflichtet, die einen ähnlichen Stil bevorzugen.“ Er lächelte in ihren Ausschnitt. „Ich suche das Besondere. Nicht nur in der Kunst.“
    „Da kann man eben nichts machen.“
    „Das käme auf einen Versuch an, meinen Sie nicht?“
    Hedi überlegte, ob es nicht langsam an der Zeit wäre, ihm eine Ohrfeige zu verpassen. „Neulich hat Vivienne zehn Bilder auf einmal verkauft.“
    „Ach ja?“ Seine Augen wanderten zurück zu den Gemälden. „Dürfte ich den Preis erfahren?“
    „Dreißigtausend.“
    „Ich hätte sie auf die Hälfte geschätzt. Aber bei Kunst ist das so eine

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