Die Wassermuehle
sachliche Argumente vorgetragen, warum die Umorganisation Mist ist. Hat es irgendwas gebracht? Ich bin mal gespannt, wie lange es dauert, bis sie uns wieder zurückorganisieren. Oder gleich ganz wegstreichen.“
„Der Polizeipräsident hat versprochen ...“
„Mit der Auflösung des Vierten Reviers bis nach den Wahlen zu warten. Wegen der Bürgerfreundlichkeit.“
„Du bist ein elender Zyniker.“
„Du hast keine Ahnung, was in den oberen Etagen vor sich geht.“
„Ich werd’s irgendwann hoffentlich herausfinden.“
„Vorher sind wir zur Streife eingeteilt.“
Dagmar stand auf. „Ich hab was für dich. Bin gleich wieder da.“ Kurz darauf kam sie mit einem zusammengefalteten Zettel zurück. „Das habe ich neulich beim Entrümpeln gefunden. Es wird dir gefallen.“
Klaus faltete den Zettel auseinander. Er las: „ Wir betreiben harte Ausbildung, aber jedes Mal, wenn wir dabei waren, Gemeinschaften zu bilden, wurden wir umorganisiert. Später im Leben habe ich gelernt, dass wir dazu neigen, neuen Situationen mit Reorganisation zu begegnen: Und dies kann eine glänzende Methode sein, die Illusion von Fortschritt zu schaffen, während Verwirrung, Wirkungslosigkeit und Demoralisierung produziert werden. Ja, und? In weniger geschliffenen Worten habe ich genau das gerade gesagt, oder?“
„Willst du nicht wissen, von wem das stammt?“, fragte Dagmar verschmitzt.
„Jeder normal denkende Kollege wird dir etwas Ähnliches sagen, wenn du ihn fragst.“
„Ein Ausspruch von Gaius Petronius Arbiter. Gestorben sechsundsechzig nach Christus.“
Klaus lächelte. „Unsere Altvorderen waren gar nicht so dumm, was? Bevor wir fahren, müsste ich noch kurz telefonieren.“
Dagmar nickte. „Ich warte draußen auf dich.“
Es dauerte keine fünf Minuten, bis Klaus aus dem Revier kam. Er stieg in den Streifenwagen und schlug die Tür zu. Dagmar sah ihn überrascht an. „Was ist passiert?“
„Nichts.“
Sie startete und fuhr los. „Habt ihr euch wieder gestritten?“
„Du musst nicht jedesmal fahren.“
„Ich weiß.“
Klaus nahm eine Schachtel Zigaretten aus seiner Hemdtasche. „Stört’s dich, wenn ich eine rauche?“
„Wenn ich ehrlich bin, ja. Seit wann ...?“
„Schon gut.“ Er steckte die Zigaretten wieder weg. „Sie ist mit einem Kunstexperten aus München essen gegangen.“
Dagmar warf ihm einen flüchtigen Blick zu. „Was ist schlimm daran?“
„Laut Aussage ihrer Freundin handelt es sich um einen überaus gutaussehenden und charmanten Kunstexperten.“
„Das hört sich nach einer gehörigen Portion Missgunst an.“
„Also, erlaube mal!“
Dagmar lachte. „Ich meinte die Freundin, du Flaschengeist. Was stört dich daran, dass sie mit einem charmanten Mann essen geht?“
„Die Nachspeise.“
„Niemand zwingt dich, deine Angetraute allein da draußen wohnen zu lassen.“
„Ich ziehe nicht in diese verdammte Mühle, und wenn sich Hedi auf den Kopf stellt!“
„Dann beschwer dich nicht über die Folgen.“
„Ich habe lediglich auf deine Frage geantwortet.“
„Ich bin wirklich gespannt, wie lange es noch dauert, bis entschieden ist, wer von euch beiden den größeren Dickschädel hat. Warum gibst du nicht zu, dass du sie vermisst?“
„Die Idee mit den Rosen war nicht sonderlich intelligent.“
„Warum?“
„Hedi hat mir unterstellt, ich hätte eine Geliebte. Ist die Wohnung dreckig, meckert sie. Ist sie sauber, meckert sie auch. Ich versteh’s nicht.“
Dagmar grinste. „Du hast tatsächlich geputzt?“
„Favitta war so nett.“
„Wer?“
„Tipp von Ralf.“
„Ich verstehe nur Bahnhof.“
„Macht nichts.“ Klaus schaute aus dem Fenster. Er hatte keine Lust mehr, sich zu unterhalten und war dankbar, dass Dagmar das akzeptierte. Schweigend setzten sie die Streife fort; selbst am Funk blieb es ruhig. Die Sonne verschwand hinter den Häuserfassaden und warf lange Schatten auf die Straße. Die Stadt leuchtete golden, dann wurde sie grau. Die Straßenbeleuchtung ging an. Das Licht schmerzte in den Augen. Das Bedürfnis, sie zu schließen, war groß.
„Hast du heute schon was gegessen?“
Klaus fuhr zusammen. „Bitte?“
„Ich fragte, ob du Hunger hast.“
„Mhm.“
„Wollen wir Döner holen?“
„Meinetwegen.“
„Geschlafen hast du auch nicht, oder?“
„Mein Bruder war zu Besuch.“
„Warum sagst du ihm nicht, dass du Nachtdienst hast?“
„Weil ich ein höflicher Mensch bin. Auch ohne EFQM-Modell.“
„Es wird Zeit, dass dir mal
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