Die Wassermuehle
Pralinés.“
„Was bekommen Sie dafür?“
„Nichts.“
„Aber Herr Kluge. Es soll ein Geschenk von mir sein.“
„Na, wenn das so ist ... Einsneunzig, bitte.“
Hedi legte zwei Euro auf den Tresen. „Sie mögen Frau Stöcker?“
Er tippte den Preis umständlich in die alte Kasse ein. „Die Elli mag jeder hier. Sie ist sozusagen Hassbachs gute Seele.“
„Aber das war nicht immer so, oder?“
„Nein. Als sie damals den Stöcker-Ludwig geheiratet hat, haben die Leute Wetten abgeschlossen, wie lange sie es wohl bei ihm aushält.“ Er lächelte verschmitzt. „Ich gehörte zu den wenigen, die bei der Sache Plus gemacht haben. Wirklich jammerschade, dass der arme Ludwig so früh sterben musste. Aber die Elli ist damit, glaube ich, ganz gut fertiggeworden. Vielleicht hat ihr die Sache mit dem Backhaus geholfen.“
Hedi sah ihn fragend an. Er schlug die Cellophantüte sorgfältig in Papier ein. „Man hatte schon beschlossen, das Ding abzureißen. Schön sah es ja wirklich nicht mehr aus, ein Schandfleck im Dorf. Um es kurz zu machen: Elli gelang es nicht nur, das nötige Geld für die Restaurierung aufzutreiben, sondern auch, unsere Herren und Damen Dorfhonoratioren davon zu überzeugen, dass sich Brotbacken förderlich auf ihre politische Karriere auswirken könnte. Als die Frau vom Bürgermeister das erste Selbstgebackene aus dem Ofen holte, war sogar das Fernsehen da. Seitdem haben wir in Hassbach an jedem ersten Samstag im Monat Backtag. Wenn Sie wollen, können Sie auch mitmachen. Die Elli freut sich bestimmt.“ Er drückte auf einen Knopf, und klingelnd sprang die Kasse auf.
„Stimmt so“, sagte Hedi, als er ihr das Wechselgeld geben wollte.
„Nix da!“, widersprach er. „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist den Taler nicht wert. Und was für den Pfennig gilt, gilt erst recht für den Cent.“
Lächelnd steckte Hedi die 10-Cent-Münze ein. „Sie haben natürlich recht, Herr Kluge.“
„Grüßen Sie die Elli von mir.“
„Mach ich. Auf Wiedersehen, und einen schönen Tag noch.“
Auf dem Weg zum Auto steckte sich Hedi ein Zitronenbonbon in den Mund. Es schmeckte wie früher. Sie hatte Lust zu laufen und ließ den Bus vor Kluges Laden stehen. Sie überquerte die Straße und ging in Richtung Ortsmitte, am Meierhof vorbei. Die Klappläden waren geschlossen und die Blumenkästen vor den blauschwarz umrandeten Fenstern leer. In der Einfahrt spross Unkraut.
Aus dem Hof vor Elisabeths Haus drangen Geschrei und Lachen. Vor der Scheune spielte Christoph-Sebastian mit anderen Kindern Fußball. Ein blonder Junge in Dominiques Alter hatte eine Trillerpfeife im Mund und mimte den Schiedsrichter.
Es dauerte ein Weilchen, bis Elisabeth öffnete. „Ich wollte Christoph-Sebastian abholen“, sagte Hedi.
„Aber Sie hätten doch nicht extra herkommen müssen! Ich fahre nachher ohnehin zu Uwe in die Gärtnerei.“
„Ich dachte, dass Sie vielleicht über jede Minute froh sind, die Sie ihn früher loswerden. Es war nicht richtig von Vivienne, Sie so zu überfahren.“
Elisabeth schaute in den Hof. „Tobias passt schon auf, dass er keinen Blödsinn anstellt.“
„Tobias? Ist das der Blonde?“
Elisabeth nickte. Hedi gab ihr das Konfekt. „Herr Kluge sagt, Sie mögen Selbstgemachtes. Mit den besten Grüßen von seiner Frau.“
„Das ist ja nett. Danke! Möchten Sie einen Kaffee?“
„Wenn es Ihnen nichts ausmacht, gern.“
„Warum sollte es mir etwas ausmachen?“
„Uwe sagte, dass Sie heute eigentlich gar keine Zeit haben.“
„Nun ja: Da Tobias so nett war, mir die Aufsicht abzunehmen ...“
Elisabeth bat Hedi ins Wohnzimmer und holte den Kaffee. „Leider gibt es in Hassbach nur zwei Jungs in Tobias’ Alter. Und die sind mit ihren Eltern in Urlaub gefahren.“
„Genau wie die Leute vom Meierhof, oder? Ich habe gesehen, dass die Läden geschlossen sind.“
„Die sind nicht in Urlaub, die haben das Handtuch geworfen. Ehrlich gesagt, habe ich es kommen sehen.“
Hedi sah sie ungläubig an. „Sagten Sie neulich nicht, dass sie ein Vermögen in die Restaurierung des Hauses gesteckt haben?“
„Sie wollten ihren Traum vom Aussteigen verwirklichen und trafen stattdessen auf eine Horde sturer Hassbacher.“
„Ich verstehe nicht ganz?“
„Man kann nicht von der Stadt in die tiefste Provinz ziehen und glauben, nichts würde sich ändern. Auch ich musste lernen, dass nicht die Dörfler in mein Leben, sondern ich in ihres eingebrochen war.“ Sie gab einen Löffel Zucker in ihren
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