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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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adeligen Gedächtnis gestrichen.“
    „Sie haben diesen Schritt wirklich nie bereut? Ich meine, wenn Ihnen die Literatur so wichtig war, hätten Sie doch studieren können?“
    „Ich war achtzehn und dachte, ich könnte mit Ludwig zusammen die Welt aus den Angeln heben.“
    „Ich war ein Jahr älter, als ich Klaus kennenlernte.“
    „Dann werden Sie verstehen, was ich meine. In meiner Vorstellung war das Leben auf dem Land ein einziger romantischer Urlaub im Heu. Als ich zum ersten Mal morgens um halb fünf über stinkende Kuhfladen stolperte, war’s vorbei mit der Romantik. An meiner Liebe zu Ludwig hat das freilich nichts geändert. Außerdem hatte ich den Ehrgeiz, den dickköpfigen Hassbacher Bauern zu beweisen, dass Prinzessinnen nicht nur auf Erbsen herumsitzen, sondern auch welche anbauen können.“
    „Und Ihre Bücher? Haben Sie die auch nicht vermisst?“
    Elisabeth sah sie einen Moment lang unschlüssig an. Sie gab sich einen Ruck und stand auf. „Kommen Sie. Ich zeige Ihnen etwas.“
    Hedi folgte ihr neugierig in den ersten Stock und von dort über eine schmale Holztreppe zum Dachboden. Als Elisabeth die Tür öffnete, schien es Hedi, als beträte sie eine andere Welt. Bücher über Bücher, wohin sie auch sah: alte und neue, dicke und dünne, Bildbände und bibliophile Antiquitäten, vielbändige Lexika, dickleibige Romane und Berge von Taschenbüchern. Sie bedeckten große Teile des alten Dielenbodens, stapelten sich auf durchgebogenen Brettern zwischen dem wuchtigen Dachgebälk, standen und lagen in Vitrinen, auf Sesseln, Tischchen und sogar in den Fenstergauben. Auf einem Schreibtisch in der Mitte des Raums türmten sich Magazine, Zeitungen und loses Papier. Mittendrin standen zwei Bildschirme, auf denen bunte Punkte tanzten.
    Elisabeth zeigte auf den Papierstapel. „Ich war gerade am Korrekturlesen, als Sie klingelten.“
    Hedi nahm eins der am Boden liegenden Bücher. Leiden des jungen Werthers. Reprint der Originalausgabe. Auch Das Wahnsinnsweib von Verena Kind entdeckte sie in Elisabeths Sammlung. „Haben Sie die etwa alle gelesen?“
    Elisabeth lächelte. „Bis aufs letzte Stück. Viele sogar mehrfach.“
    „Die Anschaffung muss Sie ja ein Vermögen gekostet haben!“
    „Mindestens fünfzig Prozent stammen vom Flohmarkt, aus Bücherei- und Haushaltsauflösungen oder von Leuten, die wissen, dass ich alles lese, was mir in die Finger kommt. Beim Rest handelt es sich überwiegend um Rezensionsexemplare.“
    Hedi blätterte in einem Fotoband über die Provence. „Wenn ich das geahnt hätte! Ich habe neulich Juliettes Wohnzimmerschrank ausgeräumt und einen Stapel Literaturhefte weggeworfen.“
    „Ich nehme an, das war Die Wörtertruhe.“
    „Genau. Lesen Sie die etwa auch?“
    „Ich musste.“
    „Und warum?“
    „Weil ich die Herausgeberin war.“
    „Oh! Ich, äh ... wollte Sie nicht beleidigen.“
    Elisabeth lachte. „Schon in Ordnung. Juliette und Ludwig waren lange Zeit die Einzigen, die wussten, dass ich hier oben nicht nur lese. Meine Kinder wissen’s inzwischen auch.“
    „Uwe sagte, Sie müssten ein bisschen Schreibkram erledigen.“
    „Stimmt ja, oder?“
    „Aber welchen Grund gibt es, das zu verheimlichen?“
    Elisabeth schaltete den Bildschirmschoner aus. „Ich verheimliche es nicht, ich rede nur nicht darüber. Für die Leute im Dorf bin ich die Elli: eine von ihnen. Alles andere würde sie unnötig verwirren.“
    Hedi las den Text auf dem Bildschirm. Trendbooks. Ausgewählt von Carmina von Rosen. Ihr fiel es wie Schuppen von den Augen. „Trendbooks? Das ist doch die Bücherseite in der Annabella!“
    Elisabeth nickte. „Die Seite betreue ich schon viele Jahre; aber inzwischen überlege ich mir, ob ich sie nicht abgeben soll. Es macht keinen Spaß mehr. Der Rahmen, in dem ich Bücher auswählen darf, wird zunehmend enger gesteckt.“
    „Welcher Rahmen denn?“, fragte Hedi neugierig.
    „Das Leitmotiv der Annabella: die Vermittlung eines positiven Lebensgefühls für die selbstbewusste Frau von heute. Bücher, die besprochen werden, müssen gut sein im Sinne dieses Leitmotivs. Was gut ist, bestimmt sich leider weniger nach literarischen, sondern vielmehr nach ideologischen Kriterien. Gefragt sind vorrangig Themen, die zur Zielgruppe der Annabella passen: toughe Karrierefrauen Anfang bis Ende dreißig, mobil, urban, sexuell aufgeschlossen, finanziell unabhängig, mit der heimlichen Sehnsucht nach Mann, Heim und Kind.“
    „Das Wahnsinnsweib“, sagte

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