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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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Hedi.
    Elisabeth verzog das Gesicht. „Das konnte ich zum Glück gerade noch verhindern. Obwohl der Verlag bereit war, im gleichen Heft eine ganzseitige Anzeige zu schalten.“
    „Soll das heißen, dass sich die Auswahl der Bücher daran orientiert, wer die teuerste Anzeige offeriert?“, fragte Hedi empört.
    „Offiziell natürlich nicht. Aber eine gewisse Rolle spielt es schon.“
    Hedi zeigte auf den Roman von Verena Kind. „Das kam dann wohl als Rezensionsexemplar in Ihre Sammlung? Ich hab’s gelesen und finde es furchtbar.“
    „Hedwig Courths-Mahler für Möchtegern-Emanzipierte.“
    Hedi lachte. „So ähnlich, ja.“
    Elisabeth schloss das Dokument und fuhr den Computer herunter. „Im vorletzten Heft wollte ich den Debütroman einer jungen Autorin vorstellen, Silberlöffel . Erzählt wird die Geschichte einer Frau, die alles sausen lässt, was das Herz moderner Frauen höher schlagen lässt: Karriere, Erfolg, Geld, Ansehen, schließlich sogar ihren Traumprinzen. Weil sie erkennt, dass sie all das nur haben kann, wenn sie weiterhin Tag für Tag mit den anderen ums goldene Kalb tanzt, das da heißt: Zeitgeist.“ Sie nahm ein schmales Buch von ihrem Schreibtisch und blätterte darin.
    „Die Geschichte endet mit den Sätzen: Der Silberlöffel meiner Großmutter ist die Erinnerung, die ich mir gönne. Er ist stumpf, weil ich aufgehört habe, ihn zu putzen. Ich muss für Holz sorgen, sonst wird es kalt herinnen. Ich schere die Schafe, um mir aus der Wolle mein Garn zu spinnen. Ich stricke mein neues Kleid. Ich bin überrascht, wie gut es passt. Lieber Gott! Warum hat mir nie jemand gesagt, dass ich in Wahrheit zum Stricken geboren bin?“
    Sie legte das Buch zurück. „Ein Sturm der Entrüstung brach über mich herein: Wie ich es wagen könne, in einer fortschrittlichen, modernen Frauenzeitschrift wie der Annabella anachronistische Rollenbilder zu propagieren! Meine Rezension sei ein Affront gegen hundert Jahre Frauenbewegung, geradezu eine Aufforderung zur Diskriminierung! Wasser auf die Mühlen der vereinigten Machofront! Dass sie mich nicht mit Schimpf und Schande davongejagt haben, war alles.“
    „Ich würde es eher so verstehen, dass jeder sein Leben nach seiner Fasson leben soll, oder?“
    „Wenn die Heldin mit ihren Schafen Yogaübungen gemacht oder die schlechten Energien mit Feng-Shui aus ihrer Almhütte vertrieben hätte, wär’s wahrscheinlich kein Problem gewesen.“
    „Die Grünen haben das Strickzeug sogar im Bundestag salonfähig gemacht“, sagte Hedi schmunzelnd.
    „Ja. Als Waffe gegen die reaktionäre Männerphalanx.“
    „Und welches Buch hat man Ihnen als Alternative vorgeschlagen?“
    „Krabbenfleisch mit Spaghetti, Meeresböhnchen mit Lachs, Entenbrustfilet mit Semmelknödeln auf Rotkraut.“
    „Ein Kochbuch?“
    „Für Katzen. Völlig ernstgemeint und einhundertfünfzig Seiten dick.“
    „Das ist ja pervers.“
    „Die Damen in der Redaktion fanden es hippig.“
    Hedi schüttelte den Kopf. „Und Die Wörtertruhe ist Ihr Ausgleich zu alldem?“
    „Sie war es, ja. Nachdem ich die Bücherseite in der Annabella übernommen hatte, bekam ich regelmäßig Zuschriften von Leserinnen; manche schrieben selber Gedichte oder Kurzgeschichten und schickten mir Leseproben. Eines Tages hatte Juliette die Idee, die besten auszuwählen und ihnen ein Forum zu geben; sie hat sich auch den Titel und unsere Pseudonyme ausgedacht. Ich habe das Editorial geschrieben und das Layout gemacht, Ludwig steuerte passende Fotos bei. Die Redaktionskonferenzen hielten wir zu dritt hier oben ab und hatten immer mächtig Spaß dabei. Nach Ludwigs Tod haben Juliette und ich nur noch zwei Hefte herausgegeben.“
    „Und ich habe sie weggeworfen“, sagte Hedi beschämt.
    „Keine Sorge. Ich habe genügend Exemplare im Archiv.“
    Hedi seufzte. „Wenn ich ehrlich bin, tauge ich weder für hohe Literatur noch für hohe Kunst. Vivienne habe ich heute auch schon beleidigt. Ich verkannte die subtile Evokation eines angerosteten Müllcontainers.“
    Elisabeth räumte lachend einen Stapel Bücher von einer alten Seemannskiste. „Ich glaube, es ist an der Zeit, Ihnen ein weiteres meiner kleinen Geheimnisse zu offenbaren. Hier drin liegt das Kapital, mit dem ich den Druck der Wörtertruhe, meinen Töchtern das Studium und Uwe den Führerschein finanziert habe.“
    Sie öffnete den Deckel. Die Kiste war bis zum Rand mit Groschenheftchen gefüllt. „In meiner produktivsten Zeit habe ich pro Woche mindestens eins

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