Die Wassermuehle
weggefahren?“, fragte Dagmar ungläubig.
„Ei, wer dann sonst? Des Ding stand schließlich mitte uff de Gass. Wolle Sie mein Führerschein sehe?“
„Lassen Sie mal. Das war schon in Ordnung“, sagte Klaus grinsend.
Dagmar schrieb die Personalien auf, während Klaus den mit Handschellen gefesselten Täter auf den Rücksitz des Streifenwagens verfrachtete. „Wir melden uns noch mal bei Ihnen, wegen der Protokollierung Ihrer Aussage“, sagte er zu der Dame. Sie nickte ihm lächelnd zu und ging davon.
Dagmar warf ihre nasse Uniformmütze auf den Beifahrersitz und setzte sich zu dem Festgenommenen nach hinten. Klaus fuhr los. Der Regen klatschte aufs Wagendach.
„Ich fasse es nicht!“, sagte Dagmar. „Fährt die einfach unseren Streifenwagen weg.“
„Hast du was gegen Frauen am Steuer?“, fragte Klaus.
Der Junge neben Dagmar grinste. Aus seinem Haar tropfte Wasser. Auf seiner linken Wange zeichneten sich die Konturen mehrerer Finger ab.
„Habt ihr ein gemeinsames Bad genommen?“, fragte Hans-Jürgen, als sie kurz vor Dienstschluss in die Wache kamen. Klaus warf ihm einen wütenden Blick zu. Hans-Jürgen zuckte mit den Schultern. „Der Chef ist heimgegangen, falls dich das beruhigt.“
Klaus sah Michael an. „Wir haben die Anzeige und einen Vermerk geschrieben und den Kerl in den Bau gesetzt. Die Kollegen vom Dauerdienst wissen Bescheid.“
„Sieh an: die vierzehnte Festnahme für heute“, sagte Hans-Jürgen.
Dagmar lächelte. „Darauf gehen wir jetzt einen trinken, was, Klaus?“
„Ihr benehmt euch wie im Kindergarten“, sagte Michael.
„Ich lasse mich nicht von jemandem beleidigen, der neunzig Prozent seiner Dienstzeit mit Beamtenmikado verbringt“, sagte Dagmar und verließ die Wache.
Michael und Hans-Jürgen wechselten einen erstaunten Blick. Klaus grinste. „Alle Achtung! Unsere junge Kollegin macht sich.“
„Beamten... was?“, fragte Hans-Jürgen.
„Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Schönen Feierabend.“ Klaus ging in den Spindraum hinauf und zog die nassen Sachen aus. Als er das Revier verließ, hatte es aufgehört zu regnen. Im Hof standen Pfützen, auf der Straße glänzte der Asphalt.
„Das war ernst gemeint.“
Er drehte sich überrascht um.
„Mich hat es schon länger interessiert, wo du deine Abende verbringst“, sagte Dagmar.
„Papa Vincenzo wird sich freuen.“
„Wer?“
„Du weißt nicht allzuviel von der Stadt, in der du Dienst machst, hm?“
„Ich wohne in Frankfurt.“
„Umso schlimmer. Wo hast du geparkt?“
„Ich reise mit der S-Bahn, falls du es immer noch nicht bemerkt hast.“
Klaus lachte. „Dann steht einem gemütlichen Schoppen ja nichts im Wege.“
Bei Vincenzo war eine kleine Kneipe in einem mit Teerpappe gedeckten Flachbau im verwinkelten Hinterhof einer alten Fabrikanlage. Die Luft war zum Schneiden, der Geräuschpegel beträchtlich. Dagmar und Klaus fanden mit Mühe Platz an der Theke.
Papa Vincenzo war höchstens Ende zwanzig, sprach fließend Offenbacherisch und sah aus, als käme er geradewegs vom Bosporus. Er begrüßte Klaus mit Handschlag. „Na, Kumpel! Haste endlich Ersatz gefunne?“
Klaus lachte. „Meine Kollegin ist bereits vergeben. Also benimm dich, Ali! Und bring uns zwei Pils.“
Ali grinste. „Claro, Chef!“
„O Gott“, sagte Dagmar.
Klaus zuckte mit den Schultern. „Du wolltest es ja nicht anders.“
„Ich hatte mich auf einen gemütlichen Italiener eingestellt.“
„Der gemütliche Italiener hatte Heimweh nach Sonne und Meer. Seine Tochter entschied sich für Ali und Offenbach.“
„Verstehe.“
„Du arbeitest in einer multikulturellen Stadt.“
„Solange ich die Suffbeutel nicht einsperren muss, habe ich nichts dagegen.“
„Kissel hat recht: Du passt dich zunehmend der Umgebung an.“
„Anders wird man mit euch ja nicht fertig.“
„Wen meinst du bitte mit euch?“
„Na, dich und Hans-Jürgen und ...“
„Du wirst mich doch nicht mit Hans-Jürgen in einen Sack stecken wollen!“, sagte Klaus beleidigt.
Ali stellte grinsend zwei Pils vor ihnen ab; Dagmar zwinkerte ihm zu.
Klaus schüttelte den Kopf. „Hat dir vorhin jemand was in den Kaffee getan?“
Dagmar nahm ihr Glas. „Ich passe mich nur der Umgebung an. Prost, Kollege!“
K APITEL 41
„I ch brauche deinen Rat als Frau“, sagte Klaus vier Tage später. Sie fuhren Spätdienststreife in der Innenstadt: ein langweiliger Donnerstagnachmittag, grau und windig. Immer wieder fegten Regenschauer durch die Straßen.
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