Die Wassermuehle
bunte Bildchen gucken?“
Dagmar wandte ihren Blick vom Bildschirm. „Hallo, Klaus. Ich glaube, ich geh da mal hin.“
„Wohin?“ Er kam näher, las und verzog das Gesicht. „Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Fortsetzung des Leitbild-Umsetzungsprozesses und in Übereinstimmung mit unserem Behördenleiter planen wir, in einer angenehmen Arbeitsatmosphäre den ersten Workshop für Vorgesetzten-Qualifikation zu veranstalten. Ziel soll es sein, Standards zu entwickeln, wie zukünftig Führungsfunktionen vergeben werden. Anmeldungen bitte per eMail. Ja, und? Wie oft wollen die das noch machen?“
„Das ist der erste Workshop zu diesem Thema“, sagte Dagmar. „Und ich finde, statt rumzumeckern stünde es dir gut zu Gesicht, aktiv zur Verbesserung der Situation beizutragen.“
„Du glaubst doch nicht, dass ich meine Zeit damit verplempere, Dinge auf bunte Kärtchen zu schreiben, die seit Jahr und Tag jedem normal denkenden Menschen bekannt sind.“
„Um eine Ausrede bist du nie verlegen, was?“
„Kleiner Tipp: Unterhalte dich mal mit Michael. Als er seinen Kommissar gemacht hat, hieß das Zauberwort noch Kooperativer Führungsstil. Transparenz wurde von den Vorgesetzten gefordert, Kritikfähigkeit und was weiß ich noch alles. Hehre Worte, wohlformuliert auf Papier gedruckt, das in irgendwelchen Schubladen verschwand. Und jetzt wollen sie uns die gleiche Mogelpackung noch mal unterjubeln? Ohne mich.“
„Ich finde ...“
„Schau dir die Beförderungspraxis bei uns an. Schau dir Leute wie Kissel an. Und schau dir’s in fünf Jahren wieder an. Ich prophezeie dir: Der Status quo feiert fröhliche Urständ.“
„Zumindest die Hoffnung sollte man sich bewahren, oder?“
„Wir hatten mal einen jungen Kollegen aus Wiesbaden hier. Der wusste nichts, aber dafür alles besser und konnte es auch noch rhetorisch geschliffen verkaufen. Uli ist fast wahnsinnig geworden mit ihm. Und das will weiß Gott was heißen. Ich traf ihn drei Jahre später bei einem Einsatz wieder. Er leitete irgendeinen Unterabschnitt und sprach mich mit Herr Winterfeldt an. Heute ist er Polizeioberrat, sitzt im Innenministerium und entwirft Konzepte, die für die polizeiliche Praxis so nützlich sind wie ein Unterseeboot fürs Rasenmähen.“
Dagmar musste lachen. „Es gibt aber auch andere.“
Hans-Jürgen kam herein. „Sieh an: Unser Dream-Team sitzt in trauter Eintracht vor dem Computer.“
„Wie du siehst, stehe ich“, sagte Klaus.
Dagmar meldete sich ab. „Und gleich fahren wir sogar.“
Als sie von ihrer Streife zurückkamen, saß Hans-Jürgen bei Michael auf der Wache und hielt ein Schwätzchen. „Na? Wart ihr erfolgreich?“, fragte er grinsend.
Klaus hängte den Autoschlüssel ans Bord. „Ein leerer Knöllchenblock und dreizehn Festnahmen. Reicht das?“
„Und zum Abschluss eine kleine Spazierfahrt durch den Wald?“
Dagmar lief rot an. „Was soll das heißen?“
„Ich bin nicht der Einzige im Vierten Revier, der sich darüber wundert, dass unser Zwangssingle Winterfeldt plötzlich ein Faible für gemischte Streifen hat.“
„Du hast es gerade nötig“, sagte Klaus.
„Das ist eine Unverschämtheit!“, rief Dagmar. „Ich ...“
„Frau Streibel?“
Sie wandte sich erschrocken zur Tür. Dienststellenleiter Kissel verzog keine Miene. „Kommen Sie bitte gleich in mein Büro.“
Dagmar nickte.
„Ihr solltet eure Diskussionen auf den Nachtdienst verschieben“, sagte Michael, als Kissel gegangen war.
„Da gibt es nichts zu diskutieren!“, entgegnete Dagmar wütend und verließ die Wache.
Das Telefon klingelte. Michael nahm ab. „Polizei Offenbach, Viertes Revier ... Ja, ich verstehe. Ich schicke Ihnen eine Streife vorbei. Das Spezialkommando?“ Er zwinkerte Klaus zu. „Nun, da müssten Sie sich ein bisschen gedulden, Frau Westhoff. Die Beamten sind gerade in einer anderen Sache unterwegs. Gut. Ich denke, spätestens in einer Dreiviertelstunde sind sie bei Ihnen. Auf Wiederhören.“
„Die hat mir gerade noch gefehlt“, knurrte Klaus.
Hans-Jürgen lachte. „So ein bisschen Geisterbeschwörung erledigt unser Dream-Team doch mit links, oder?“
„Wenn du noch einmal einen solchen Mist daherredest, solange der Chef im Haus ist, haue ich dir eine rein.“
„Man wird ja wohl noch einen harmlosen Scherz machen dürfen.“
Klaus sah Michael an. „Sag Dagmar, ich warte draußen auf sie.“
Zehn Minuten später kam Dagmar in den Hof. Sie stieg in den Streifenwagen und knallte die Tür zu.
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