Die Wassermuehle
Hühner, jätete ein bisschen Unkraut und erntete eine Schüssel rotgelb gestreifte Tomaten. Sie kostete von ihrer Ernte und dachte mit Wehmut an Juliette. Als sie vom Garten zum Haus zurückging, lächelte sie. Das neue Dach glänzte in der Sonne, die Klappläden waren repariert, vor den Fenstern blühten Chrysanthemen. Mit Henning Schultheiß hatte sie nicht gesprochen. Wozu auch? Vivienne hatte recht: Ein Haus, das drei Jahrhunderten getrotzt hatte, würde auch noch die paar Jährchen überdauern, bis sie genügend Geld für eine Restaurierung gespart hatten.
Hedi brachte die Tomaten in die Küche und beschloss, bis zum Mittag zu töpfern. In der Werkstatt war es kühl; Hedi öffnete die Fenster und ließ die Sonne herein. Summend band sie sich ihre Schürze um, nahm einen Block Ton aus einer Kiste und teilte mit einem Schneidedraht eine Scheibe ab. Es war herrlich, endlich wieder einmal Zeit zu haben! Und über mehr wollte sie heute nicht nachdenken.
Sie knetete den Ton, formte eine Kugel und gab sie auf die Mitte ihrer Töpferscheibe. Sobald die Scheibe sich schnell genug drehte, zog Hedi den Ton zwischen ihren Handflächen zu einem Kegel hoch und drückte ihn wieder flach zusammen. Es sah aus, als begänne die Masse zu leben. Mit den Fingerspitzen drückte sie eine Höhlung hinein; im Innern machte sie eine kleine Wulst mit der linken Hand, während sie mit der rechten den Ton von außen kontrollierte: Bauch und Hals eines Kruges entstanden. Sie glättete die Ränder mit einem nassen Leder, zog mit der Drehschiene eine Linie um den Hals, modellierte eine Tülle und löste das Gefäß mit dem Schneidedraht von der Scheibe.
Sie war gerade dabei, einen Henkel zu ziehen, als Uwe hereinkam. In den Händen hielt er zwei getopfte Pflanzen. Die eine sah aus wie ein Büschel Dill, an der anderen leuchteten orangerote Pfefferschoten.
„Guten Tag, Frau Winterfeldt. Haben Sie vielleicht noch ein paar Übertöpfe für mich?“
Hedi legte den Henkel auf eine Steinplatte und wischte ihre Hände an der Schürze ab. „Ich wollte eigentlich mal wieder was anderes machen als immer nur Blumenpötte.“
Uwe stellte die Pflanzen auf die Werkbank und besah sich Krug und Henkel. „Wirklich hübsch. Aber die Leute sind nun mal verrückt nach Ihren Kräutertöpfen. Vor allem nach den blauen.“
Neugierig betrachtete Hedi die Pfefferschoten. Uwe lächelte. „ Capsicum frutescens. Eine Tabascopflanze. Aus den Früchten wird die berühmte Soße gemacht. Und das hier“, er zeigte auf das Dillkrautbüschel, „ist eine Lakritztagetes.“ Er zupfte ein Blättchen ab und gab es ihr. „Probieren Sie mal.“
Zögernd steckte Hedi das Grün in den Mund. „Das schmeckt ja tatsächlich nach Lakritz!“
„Ich habe eine interessante Quelle für seltene Kräuter aufgetan. Mit irgendetwas muss ich die Leute schließlich hier herauslocken.“
„Mhm“, sagte Hedi. „Für deinen Tabasco würde ich einen kräftigen Rotton vorschlagen. Und für die Tagetes vielleicht blau, ja.“ Sie zog einen Holzkasten mit verschiedenfarbigen Töpfen unter ihrem Werktisch hervor. „Das ist alles, was ich momentan habe. Probier’s am besten selbst aus.“
Uwe stellte die Tabascopflanze wahlweise in einen roten und gelben Topf. „Könnte ich die ganze Kiste mitnehmen?“
„Gern.“
„Was haben Sie eigentlich mit Ihrem VW-Bus vor, jetzt, wo Sie den Dienstwagen fahren?“
Hedi grinste. „Ein Kollege meines Mannes hat mir empfohlen, Geranien reinzupflanzen.“
„Für meine Zwecke tut er es allemal. Würden Sie ihn mir verkaufen?“
„Ich schenke ihn dir.“
„Das kann ich nicht annehmen, Frau Winterfeldt!“
„Die Schlüssel hängen im Flur. Brief und Schein suche ich nachher heraus.“
„Aber ...“
„Betrachte es als kleines Dankeschön für deine Hilfe nach dem Sturm und die neuen Fensterkästen. Ich hoffe, du hast einen guten Draht zu Matthias Mehret.“
Uwe lachte. „Hat er nicht schon alles Überlebenswichtige ausgetauscht?“
Hedi lehnte sich gegen die Werkbank. „Ich würde mich gern bei deiner Mutter erkenntlich zeigen. Hast du vielleicht eine Idee, was ...“
„Hören Sie bloß auf! Wir wissen beide, dass ich nur deshalb finanziell über die Runden komme, weil ich Ihnen vorerst nichts zahlen muss.“
„Die Gewächshäuser waren Schrott.“
„Der Grund und Boden, auf dem sie stehen, ist es nicht. Ich bin guter Dinge, dass wir spätestens im Frühjahr über einen ordentlichen Pachtvertrag reden können.“
„Was
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