Die Wassermuehle
Elisabeth. Als er Hedi sah, kam er zu ihr. „Den Rest schafft die Truppe auch ohne mich. Ich muss zurück nach Hassbach.“
„Sie glauben gar nicht, wie dankbar ich Ihnen allen bin.“
„Ganz so erfreulich wie es scheint, ist die Sache leider nicht“, sagte er zögernd.
Hedi sah ihn fragend an.
„Sie sollten sich nachher mal mit Henning Schultheiß unterhalten.“ Er zeigte aufs Dach. „Der dürre lange Kerl mit den blonden Stoppelhaaren, der gerade über den First klettert.“
„Und warum?“
„Er ist Architekt und hat sich auf die Restaurierung von Altbauten spezialisiert. Sein vorletztes Projekt war der Meierhof in Hassbach.“
„Ein schönes Haus. Schade, dass es jetzt leersteht.“
Matthias nickte. „Sie hätten die Bruchbude mal im Urzustand sehen sollen. Die Hassbacher hatten schon Wetten abgeschlossen, wann sie endgültig in sich zusammenfällt.“
„Die Hassbacher schließen gern Wetten ab, oder?“
„Irgendwie muss man sich die Zeit hier draußen ja vertreiben“, sagte Matthias schmunzelnd.
„Und wie lange haben sie der Eichmühle noch gegeben?“
„So schlimm steht’s wohl nicht, aber Henning sagt, dass einige Dinge unbedingt gemacht werden müssten.“
„Ich weiß: Trockenlegung der Grundmauern durch Anbringen von Sperren, Wiederherstellung des Fachwerks mittels Auskernung des gesamten Gefüges, Fungizidbehandlung der Moderfäule und noch ein paar lächerliche Kleinigkeiten, die mir gerade entfallen sind. Das Einzige, was ich mir bis auf Weiteres leisten kann, ist ein neues Dach.“
„Sie sollten trotzdem mit ihm sprechen. Vielleicht gibt es irgendwelche Fördermöglichkeiten vom Staat.“
„Hat mein Mann eigentlich erwähnt, warum er die Kosten für die Dacheindeckung übernehmen will?“
Matthias sah sie erstaunt an. „Ich dachte, Sie hätten das mit ihm so abgesprochen.“
„Na ja ... nicht direkt. Wegen der Stelle bei der Kripo in Darmstadt – was hat er da genau gesagt?“
„Als er erfuhr, dass Peter ein Kollege ist, haben sie über den Polizeidienst geredet und kamen dann auf Versetzungen und Ähnliches zu sprechen.“
„Ach so.“
„Setzen Sie zwei Polizisten an einen Tisch, und das Gesprächsthema ist nach spätestens zehn Sekunden festgelegt“, sagte Matthias lächelnd. Als er Vivienne über den Hof kommen sah, gab er Hedi die Hand. „Tut mir leid, aber ich muss los.“
„Dieser Matthias Mehret ist ein richtiger Stoffel“, sagte Vivienne, als sie Hedi erreichte. „Und Sinn für Ästhetik hat er auch keinen.“
„Wenn du meinst.“
„Meine ich!“, sagte sie und verschwand im Haus.
Zum Abendessen erschien sie in einem glitzernden Pailletenkleid und war bester Laune.
„Willst du in die Oper?“, fragte Hedi.
„Ein besonderer Tag verlangt eine besondere Garderobe! Trinkst du nachher ein Gläschen Champagner mit mir?“
Hedi sah sie misstrauisch an. „Wo hast du den Fummel her?“
„Aus meinem Schrank. Und eine Flasche Champagner hat man schließlich immer im Keller. Für alle Fälle.“
Hedi stellte Butter und Brot auf den Tisch. „Damit wir uns einig sind: Von dem Geld, das aus dem Autoverkauf übrig ist, bezahle ich morgen offene Rechnungen.“
„Ich habe nichts dagegen“, sagte Vivienne lächelnd. „Meine Galerie hat angerufen. Ich soll neue Bilder vorbeibringen. Sie haben alles verkauft.“
„Das ist schön. Weißt du, wo Dominique steckt?“
„Mehr hast du nicht dazu zu sagen?“
Hedi setzte sich. „Ich freue mich wirklich für dich. Aber Dominique wollte spätestens um sieben aus Hassbach zurück sein, und jetzt ist es halb acht!“
„Sie wird sich mit ihrem Tobi im Internet festgesurft haben“, sagte Vivienne. Hedi strich Butter auf eine Scheibe Brot und belegte sie mit Wurst. Sie sah den blonden Jungen vor sich, der in Elisabeths Hof mit Christoph-Sebastian Fußball gespielt hatte. Er ging in dieselbe Klasse wie Dominique, und es hatte keine zwei Tage gedauert, bis ihre Tochter statt Allium schoenoprasum wieder Schnittlauch aus dem Garten holte und sich beim Mittagessen über Chatrooms und Like-its ausließ. Uwe saß stumm und blass dabei. Er tat Hedi leid.
Dominique kam kurz nach acht, hatte glücklich glänzende Augen und verschwand ohne Abendessen in ihrem Zimmer.
Der folgende Tag war ein Donnerstag, und Hedi musste bis spätabends arbeiten. Danach hatte sie fünf Tage frei. Nachdem Dominique am Freitagmorgen in die Schule und Vivienne mit einem Packen Bilder nach Wiesbaden gefahren war, fütterte Hedi die
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