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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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nicht alles. Bevor sie in die Fußgängerzone ging, suchte sie eine öffentliche Toilette auf und verkleidete sich.“
    „Wie bitte?“
    „Sie tauschte ihren Seidenfummel gegen ein Bankfräuleinkostüm, stülpte sich eine weizenblonde Perücke über und setzte eine Brille auf.“
    „Du nimmst mich auf den Arm!“
    „Als sie ihre Ölschinken los war, holte sie eine Mappe aus dem Auto. Sie verschwand damit in den Büroetagen diverser Kaufhäuser. Leider ist es mir nicht gelungen herauszufinden, was sie dort wollte. In den Bilderabteilungen hing jedenfalls nichts, das im Entferntesten aussah wie das Zeug, das Vivienne fabriziert.“
    Er stand auf. „Bevor sie zurückkommt, sollten wir uns ein wenig in ihrem Zimmer umsehen.“
    Hedi hielt ihn fest. „Das gehört sich nicht!“
    „Leute zu belügen und zu betrügen, gehört sich auch nicht.“
    „Sie muss aber Bilder verkauft haben! Woher hätte sie sonst das Geld nehmen sollen, das sie mir immer mal wieder gab?“
    „Wieviel war das?“
    „Einhundert, zweihundert, einmal auch fünfhundert Euro.“
    „Interessant.“ Klaus verließ die Küche und ging die Treppe hoch.
    Hedi lief hinter ihm her. Er öffnete die erste Tür. Sein Blick fiel auf die Whirlpoolwanne und das Edelstahlklosett. „Habt ihr im Lotto gewonnen?“
    „Klaus, bitte!“
    Er strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. „Meinst du denn nicht, dass es an der Zeit wäre, endlich die Wahrheit zu erfahren?“
    Sie zuckte die Schultern. „Vielleicht hat es mit ihren Meditationsübungen zu tun. Sie hat sich gleich nach dem Einzug das Dachstübchen dafür reserviert.“
    „Und was ist da drin?“
    „Ich habe versprochen, nicht hineinzugehen.“
    Er grinste. „Ich nicht.“
    Das Dachstübchen war verschlossen. Klaus brauchte keine fünf Minuten, um den Schlüssel unter einem Stapel Seidenblusen in Viviennes Kleiderschrank zu finden. „Künstler sind auch nicht kreativer als andere Leute, wenn’s darum geht, etwas zu verstecken“, sagte er amüsiert.
    „Ich weiß wirklich nicht, ob das richtig ist, was wir hier machen.“
    „Gib’s doch zu: Du bist genauso neugierig wie ich.“
    Klaus nahm den Schlüssel und ging die Treppe zum Dachboden hinauf. Hedi folgte schweigend.

K APITEL 47
    I n Viviennes Meditierzimmer war es dunkel. Es roch nach Firnis und Farbe. Klaus schaltete das Licht an. Mitten im Raum stand eine Staffelei mit einem Gemälde darauf.
    „Das ist ja das Bild aus unserem Wohnzimmer!“, rief Hedi verblüfft.
    Klaus nahm die vergilbte Postkarte ab, die am oberen Rand klemmte und unzweifelhaft als Vorlage gedient hatte. „Allerdings. Offenbachs Altstadt von anno Tobak.“
    Außer der Staffelei und diversen Malmitteln befanden sich in Viviennes Meditierzimmer zwei Regale mit Ordnern, ein alter Schrank von Juliette und ein Schreibtisch, auf dem ein zugeklappter Laptop und ein Drucker standen. Auf einem Beistelltisch lagen zwei Handys, in einer Ecke eine Yogamatte samt Meditationskissen. Die Holztruhe, die die Möbelpacker beim Einzug heraufgetragen hatten, stand neben der Tür; sie war bis auf ein paar Zeichenmappen leer. In den Mappen fand Hedi glutäugige Zigeunerinnen, röhrende Hirsche, romantische Baumlandschaften, Blumenaquarelle und je fünfmal die Altstadt von Darmstadt und Frankfurt.
    Klaus lachte. „Ich glaub’s nicht! Die große Künstlerin produziert heimlich Kitsch.“ Er deutete auf eine Signatur. „ Chantal. Ihr zweiter Vorname, oder?“
    Hedi legte die Bilder zurück; Klaus öffnete den Schrank. „Sieh an: noch mehr hübsche Kostüme. Und eine Zweitperücke in brünett.“ Er warf alles ins Zimmer.
    „Bitte hör auf“, sagte Hedi.
    „Ich fange gerade erst an!“ Klaus zog eine Kiste aus dem Schrank und leerte sie auf dem Boden aus. Außer Papieren und Krimskrams fielen auch mehrere Bücher heraus. Er nahm eins und blätterte darin. „Deine Freundin hat sich offenbar zielstrebig auf ihren Umzug hierher vorbereitet.“
    „Warum?“, fragte Hedi. Sie konnte nicht glauben, was sie sah.
    Klaus hielt ihr das Buch hin. Auf dem Umschlag war eine Wassermühle abgebildet. „Alte Mühlen. Ein Lesebuch mit schönen Bildern“, zitierte er den Titel. „Die wichtigsten Sätze hat sie sogar rot angestrichen. Kleine Kostprobe gefällig? Der Kreislauf der Natur, der die Mühle treibt – dem Menschen wird ’ s ein Lauf im Kreise. Mühle: Kosmos des Daseins in seiner Seinsverfallenheit. Schmonzes. Und das? Eberhard Puntsch. Das neue Zitatenhandbuch. Eine besondere Auswahl

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