Die Wassermuehle
aus drei Jahrtausenden.“
Er blätterte und fing an zu lachen. „Größtes Glück auf Erden ist es, eine Nacht zwischen einer schönen Frau und einem schönen Himmel zu teilen. Ich wusste gar nicht, dass deine Freundin auch auf Frauen steht! Einen Schuss Wüste braucht der Mensch – um des Glücks der Oase willen. Nur eins beglückt zu jeder Frist: Schaffen, wofür man geschaffen ist. Lieber Gott!“ Er legte die Bücher beiseite und widmete seine Aufmerksamkeit dem übrigen Kisteninhalt. „Ich hab’s geahnt.“
„Was denn?“
Er hielt Hedi einen Stapel Papier unter die Nase. „Briefpapier von Antoinette von Eschenberg.“
„Ja, und?“
„Begreifst du es immer noch nicht? Vivienne ist Antoinette von Eschenberg!“ Er zeigte auf Laptop und Drucker. „Wozu braucht sie das wohl sonst?“
„Zum Meditieren. Hat sie jedenfalls gesagt.“
„Gestatte, dass ich lache.“ Er betrachtete die Handys. Eins war ausgeschaltet; das zweite hing an einem Ladegerät. „Ich dachte, ihr habt hier kein Netz?“
„Ja. Warum?“
„Tja, deine Freundin hat wohl offenbar doch ein Plätzchen fürs mobile Telefonieren gefunden. Was wollen wir wetten, dass es sich bei einem der beiden Geräte hier um das Büro der guten Frau von Eschenberg handelt?“ Klaus nahm das ausgeschaltete Handy und grinste, als er die PIN auf der Rückseite entdeckte. Er schaltete es ein, holte sein eigenes Handy aus der Jacke und wählte die Nummer, die auf den Briefbögen stand. Das gerade aktivierte Telefon fing an zu vibrieren. Klaus reichte sein Handy an Hedi weiter.
Viviennes Stimme war verstellt, aber erkennbar. „Guten Tag! Sie sprechen mit dem Anschluss von Antoinette von Eschenberg. Leider kann ich Ihren Anruf nicht persönlich entgegennehmen. Aber Sie können mir nach dem Signalton gerne eine Nachricht ...“
Klaus drückte eine Taste auf Viviennes Telefon und ging einige Schritte zur Seite. „Ich kann aber auch direkt mit Ihnen reden, oder?“, drang seine Stimme an Hedis Ohr.
Klaus legte das Telefon weg, zog die Schubladen des Schreibtischs auf und begutachtete den Inhalt. „Also, ein bisschen mehr Fantasie hätte ich Ihnen ja schon zugetraut, Frau Künstlerin!“, sagte er sarkastisch. „Aber so langsam fange ich an, auch den Rest zu kapieren.“
„Welchen Rest?“, fragte Hedi tonlos.
Klaus hob die Perücke auf und hielt sie ihr vors Gesicht. „Werte Frau Winterfeldt! Wenn ich mich Ihnen vorstellen darf? Ich bin die Antoinette und ziemlich brünett. Isch wohn in Frangreisch, je suis etabliert et très renommiert!“
„Klaus, bitte. Ich finde das nicht komisch.“
Er zeigte auf die Staffelei. „Eine international tätige Pariser Kunstagentur ist wohl denkbar ungeeignet fürs Verramschen von Kitschbildern, die gleich im Dutzend von so bedeutsamen Künstlern fabriziert werden wie Chantal, Estefana, Pietro, Kjell ...“
Hedi musste sich setzen. „Willst du damit sagen, Vivienne hat noch mehr Leute erfunden?“
„Ich schätze mal, dass ich heute Morgen in Wahrheit diese Dame hier observiert habe.“ Klaus gab Hedi einen Briefbogen, den er aus dem Schreibtisch genommen hatte. „Antonia Eichenberger, ihres Zeichens Vermittlerin zeitgenössischer Kunst mit eigener Fanpage bei Facebook, macht ein Angebot an ein Frankfurter Kaufhaus: zehnmal die Altstadt zum Schnäppchenpreis.“ Er grinste. „In dem Schreiben an Anette hat sie bloß die Namen ausgetauscht, ein paar Fremdwörter eingestreut und die Preise ordentlich gepfeffert.“
Hedi nahm Klaus’ Handy und wählte die auf dem Briefkopf angegebene Nummer. Das Telefon am Ladegerät fing an zu blinken.
„Jetzt wissen wir wenigstens, was sie in Darmstadt wollte“, sagte Klaus. „Bleibt die Frage, warum sie dieses ganze Schmierentheater überhaupt inszeniert hat.“ Er ging zu dem Regal mit den Ordnern. Im untersten Fach stand eine Schachtel mit ungeöffneten Briefen. Klaus nahm ein paar und riss sie auf. Er legte die Briefe weg, zog einen Ordner heraus und las kopfschüttelnd darin. „Sag mal: Hast du ihr etwa das Geld von Juliette gegeben?“
Hedi kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen. „Lass uns gehen und nachher in Ruhe mit ihr über alles reden.“
Klaus zeigte auf die Briefe. „Weißt du, was das ist? Unbezahlte Rechnungen, höfliche und unhöfliche Zahlungserinnerungen, Mahn- und Vollstreckungsbescheide, vermutlich über alles, was ihr hier irgendwann habt machen lassen. Es kann nicht mehr allzulange dauern, bis der Gerichtsvollzieher auftaucht.“
Hedi
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