Die Wassermuehle
nahm einen der Briefe, die Klaus geöffnet hatte. „Architekturbüro Scheringer? Ein Mahnbescheid für den ersten Abschlag? Das verstehe ich nicht. Ich weiß, dass Vivienne das bezahlt hat!“
„Von Juliettes Erbe, das du ihr freundlicherweise überlassen hast, oder?“
Sie nickte. Klaus hielt ihr den aufgeschlagenen Aktenordner hin. „Hier steht’s schwarz auf weiß: Sie hat damit ihre Frankfurter Gläubiger abgefunden.“
„Was fällt euch ein!“
Vivienne stand in der Tür. Ihr Gesicht war weiß.
„Entschuldige, aber ...“, setzte Hedi an.
„Wenn sich hier jemand zu entschuldigen hat, dann Vivienne!“, fuhr Klaus dazwischen. „Los! Sag meiner Frau, dass du sie die ganze Zeit an der Nase herumgeführt hast! Und überlege dir gut, was du erzählst! Ich habe dich nämlich heute früh bei deinen Darmstädter Geschäften beobachtet.“
„Warum hast du mir denn nicht die Wahrheit gesagt?“, fragte Hedi mit brüchiger Stimme.
„Einem notorischen Pleitegeier hättest du ja wohl kaum die Hälfte deines Hauses überschrieben!“, sagte Klaus.
Vivienne rang um Fassung. „Bitte, Hedi. Du weißt, dass ich das mit dem Haus nicht wollte! Lass mich dir erklären ...“
„Auf die Erklärung bin ich gespannt!“, sagte Klaus.
Hedi stürzte wortlos aus dem Zimmer.
„War das dein Ziel, ja?“, schrie Vivienne.
„Lass mich vorbei.“
„Du bist der widerwärtigste Mensch, den ich kenne!“
„Aus deinem Mund ist das ein Kompliment.“ Er schob sie beiseite und lief nach unten.
Hedi war weder im Wohnzimmer noch in der Küche. Er wollte gerade zur Werkstatt hinübergehen, als Dominique nach Hause kam. Sie ließ ihre Schultasche fallen und umarmte ihn. „Hallo, Paps!“
„Hallo. Hast du eine Ahnung, wo deine Mutter steckt?“
Dominique ließ ihn los. „Dicke Luft?“
Klaus zuckte mit den Schultern.
„Hast du schon auf dem Balkenboden nachgesehen?“
„Wo?“
Sie zeigte auf eine schmale Holztür. „Den Gang entlang und hinten rechts die Treppe hoch. Pass auf deinen Kopf auf.“
Als Klaus die Treppe heraufkam, sah er Hedi im Halbdunkel an einem Fensterchen stehen. Er ging zu ihr hin und schaute nach draußen. Unterhalb des Fensters floss der Mühlbach in einer hölzernen Rinne. Das Mühlrad lag zerbrochen im Schilf. Er berührte ihr Gesicht. „Die Wahrheit tut manchmal weh. Aber ...“
„Wenn du glaubst, dass ich Vivienne jetzt einfach auf die Straße setze, hast du dich geirrt.“
„Ach, Hedi. Das Einzige, was ich möchte, ist ...“
„Mama! Telefon!“, rief Dominique von unten.
„Herrje! Ich bin nicht da!“
Dominique steckte ihren Kopf durch die Deckenöffnung. „Ich hab aber gesagt, du kommst gleich.“
Zusammen gingen sie in den Flur. Hedi nahm den Hörer. „Ja?“
„Grüß Gott! Ich bin seit genau zehn Minuten wieder im Lande, und du hast zwei Alternativen: Entweder besuchst du mich in München, oder ich mache einen Spontanausflug in den Odenwald“, sagte Wolfgang Bernsdorf.
„Mhm. Ich überleg’s mir.“
„Kannst du nicht reden?“
„Ja.“
„Ich rufe heute Abend noch mal an. In Ordnung?“
„Ja. Bis dann.“
„Wer war das?“, fragte Klaus.
„Ein Bekannter.“
„Hat er einen Namen?“
„Wolfgang Bernsdorf“, sagte Dominique. Hedi warf ihr einen ärgerlichen Blick zu.
Klaus verzog das Gesicht. „Schau an: Der Ferrariknilch weilt noch unter den Lebenden.“
„Könntest du in normalem Ton mit mir reden?“
„Was wollte er?“
„Vorbeikommen.“
„Warum?“
„Das geht dich nichts an.“
„Also, Mama, ich finde ...“
„Du halte dich da raus!“
Dominique verschwand schmollend im Wohnzimmer. Die Tür ließ sie offen.
„Du willst mir hoffentlich nicht erzählen, dass der werte Herr Galerist einfach so von München in die tiefste hessische Provinz reist!“, sagte Klaus.
Hedi rückte das Telefon zurecht. „Irgendeinen Grund wird er schon haben.“
„Welchen?“
„Du sagst mir ja auch nicht, wen du abends mit Wein und Pralinen versorgst.“
„Wie bitte?“
„Und welche Dame mittags dein Telefon hütet.“
„Das war die Putzfrau.“
„Ach? Wie viele Putzfrauen beschäftigst du denn?“
„Nur Favitta Brancatelli.“
Hedi lachte höhnisch. „Die dicke Italienerin von nebenan hörte sich reichlich sexy an!“
„Du hast meine Frage nicht beantwortet.“
„Was treibt der Rest deines Putzgeschwaders, während die gute Favitta aufräumt und bügelt? Sekt auf Streife trinken?“
Er fasste sie am Arm. „Hedi,
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