Die Wassermuehle
nahm die leere Bierflasche. „Willst du noch eins?“
„Danke. Ich muss noch fahren, Herr Polizist.“ Sie stand auf und gab ihm die Hand.
Er zeigte auf die Bilder über der Couch. „Dein Kitsch gefällt mir besser als deine Kunst. Nebenbei bemerkt: Es war wider Erwarten recht nett, sich mit dir zu unterhalten.“
Vivienne nahm es als Kompliment. Und das war es wohl auch.
K APITEL 49
A ls Hedi am Samstagmorgen aufwachte, regnete es. Ihr Kopf tat weh, ihre Augen waren geschwollen vom Weinen. Geschlafen hatte sie höchstens drei Stunden. Sie zog ihren Bademantel an und band ihr Haar zusammen. Im Haus war es ruhig. Im Esszimmer hatte jemand den Tisch gedeckt: In einem Korb lagen aufgebackene Brötchen, über die Frühstückseier waren Juliettes gehäkelte Eierwärmer gestülpt. Den Kaffee hatte der Jemand in eine Thermoskanne gefüllt. Hedi trank eine Tasse und ging wieder nach oben. Dominique schlief tief und fest, Viviennes Bett war leer. Im Bad sah Hedi aus dem Fenster. Der Golf war weg. Wo mochte Vivienne um diese Uhrzeit hingefahren sein? Sie war auf dem Weg zurück ins Esszimmer, als das Telefon läutete.
„Guten Morgen“, begrüßte Wolfgang Bernsdorf sie fröhlich. „Ausgepennt?“
„Also, bitte! Es ist gerade mal acht.“
„Dafür bist du gestern Abend ja schon vor deinen Hühnern in die Federn gekrochen. Zumindest erzählte mir das Vivienne. Für himmelhochjauchzende Wiedersehensfreude spricht das nicht gerade.“
„Entschuldige.“
„Das kannst du nur wiedergutmachen, indem du auf der Stelle in dein Auto steigst und herkommst. Und bring bitte Viviennes Decollagen mit.“
„Wen?“
„Na, ihre geheimnisvollen Meisterwerke! Oder sind sie etwa verkauft?“
„Äh ... nein.“
„Umso besser. Dr. Siebmann hat sich nämlich als Überraschungsgast für meine Vernissage morgen angekündigt, und da wäre es nett ...“
„Wenn du gestern erst zurückgekommen bist, wie kannst du da morgen eine Vernissage haben?“
Er lachte. „Der Termin stand schon seit Längerem fest. Ein bisschen Publicity für die Galerie. So was erledigen meine Angestellten nebenbei. Kommst du?“
„Dir geht’s also nur um die Bilder.“
„In diesem Fall stünde bereits ein Kurier vor deiner Tür. Also, was ist?“
„Okay. Ich komme.“ Wenn dieser Dr. Siebmann tatsächlich Viviennes Bilder kaufte, wären sie einen Gutteil ihrer Schulden los. Sie könnte vielleicht die Mühle behalten und Uwe seine Gärtnerei. Ein solches Angebot konnte sie unmöglich ablehnen! Rein rationale Gründe waren das, und sonst nichts. „Vorher muss ich allerdings noch ein paar Dinge regeln. Vor dem Abend brauchst du also nicht mit mir zu rechnen.“
„Ich freue mich.“
„Ich mich auch.“
Er gab ihr seine Adresse, eine Wegbeschreibung und zwei Telefonnummern. Hedi hielt den Hörer noch in der Hand, als er längst aufgelegt hatte, und starrte die vergilbte Flurtapete an. Verflixt, sie freute sich wirklich!
Beim Frühstücken gingen ihr tausend Gedanken durch den Kopf. Was sollte sie Vivienne sagen? Und was Dominique? Jemand musste sich um die Tiere kümmern und die Blumen gießen. Mit ihrem Dienstwagen konnte sie unmöglich nach München fahren, ganz davon abgesehen, dass Viviennes Bilder in das kleine Auto nicht hineinpassten. Sollte sie für eine Nacht packen oder bis Dienstag bleiben? Vielleicht konnte sie bei Brigitte übernachten? Hatte sich Dr. Bechstein wohl scheiden lassen? Wie sah Wolfgangs Wohnung aus, oder besaß er sogar ein Haus? Er hatte nichts gesagt. Sie dachte daran, wie er sie am Mühlteich angesehen hatte. Sag mir, dass du nichts für mich empfindest, und ich verschwinde auf der Stelle. Und was war mit Klaus? So unbegründet, wie sie ihn glauben machte, war seine Eifersucht schließlich nicht. Hedi stand auf und stellte das Geschirr zusammen. Ihre Hände waren feucht vor Aufregung. Es wurde Zeit, eine Entscheidung zu treffen.
Sie versuchte, Brigitte anzurufen, aber sie war nicht da. Ein Blick nach draußen zeigte, dass es aufgehört hatte zu regnen. Hedi zog ihre Jacke an und ging in die Gärtnerei hinüber. Vielleicht konnte ihr Uwe übers Wochenende den VW-Bus leihen. Die Obstbäume bogen sich unter der Last roter und gelber Früchte; ein kühler Herbstwind blähte Hedis Jacke. Es roch nach reifen Äpfeln und nassem Laub.
Uwe hatte erdige Finger vom Umtopfen und lächelte, als Hedi ihren Wunsch vortrug. „Selbstverständlich können Sie den Bus haben, Frau Winterfeldt.“
„Könntest du mir vielleicht
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