Die Wassermuehle
den Hof des Vierten Reviers ein; Dagmar meldete sich am Funk ab.
„Hast du zufällig deine Sportklamotten dabei?“, fragte er, als sie zur Wache gingen.
„Sag bloß, du willst mit mir joggen!“
„War doch ganz nett im Wald, oder?“
„Ich kann es kaum erwarten, dich um den Weiher rennen zu sehen.“
Er hielt ihr die Tür auf. „Für dich tu ich alles, Kollegin.“
K APITEL 52
H edi wurde wach, als ihr jemand übers Haar strich. Sie öffnete die Augen.
„Guten Morgen, du Schlafmütze“, sagte Wolfgang Bernsdorf.
Sie fuhr hoch. „Lieber Gott! Wo bin ich?“
„In meinem Gästezimmer, wenn’s recht ist. Ich habe Frühstück gemacht.“
„Wie spät ist es?“
„Kurz nach acht.“ Er zeigte lächelnd auf das Buch auf dem Nachttisch. „Haben dich die Leiden des jungen Werther so mitgenommen, dass du mit einer ganzen Flasche Champagner nachspülen musstest?“
Hedi rieb sich die Stirn. „Es tut mir leid. Kann ich vor dem Frühstücken schnell duschen?“
„Wenn’s nicht gerade drei Stunden dauert? Ich müsste noch mal kurz weg.“
Hedi nahm frische Wäsche aus ihrer Tasche und verschwand im Bad. Fünfzehn Minuten später betrat sie das Wohnzimmer. Wolfgang saß auf dem Sofa und las Zeitung. Er schlug sie zu und stand auf. „Du erstaunst mich! Unter dreißig Minuten hat es noch keine deiner Geschlechtsgenossinnen aus meinem Bad herausgeschafft.“
„Sehr interessant“, konterte sie. „Führst du Statistik?“
Er strich über ihr nasses Haar. „So eilig habe ich es wiederum nicht, dass du sogar aufs Föhnen verzichten musst.“
„Bei dem Fusselkopp wäre das sowieso vergebliche Liebesmüh.“
Er wickelte eine Haarsträhne um seinen Finger. „Ich könnte Bianca anrufen.“
„Wer ist Bianca?“
„Eine gute Bekannte und ausgezeichnete Friseurin. Kümmert sich bevorzugt um die haarigen Häupter der Münchner High Society. Im Notfall auch sonntags.“
„Danke. Meine Erfahrung mit Starcoiffeuren ist nicht die beste.“
Er lachte. „Was wollen wir wetten, dass du hinterher vor Begeisterung einen Luftsprung machst?“
„Ich habe nicht vor hinzugehen.“
„Wenn du mit deiner Frisur zufrieden bist, ist ja alles in Ordnung.“
„Welche Frisur?“
Wolfgang nahm sein Telefon und drückte eine Taste. „Guten Morgen, meine Liebe! Ich hätte einen kleinen Anschlag auf dich vor. Ja, sicher ist es wichtig! Nein, eine ganz enge Freundin. Na, hör mal! Das werde ich dir bestimmt nicht am Telefon erzählen. Um eins? Prima, ich schick sie dir vorbei. Und streng dich an, ja? Ich schau die Tage mal wieder rein. Ciao.“
„Ich habe gesagt, dass ich nicht will!“, sagte Hedi böse.
„Aber du hast es nicht gemeint. Und jetzt sollten wir frühstücken.“
Die Küche lag am Ende des Flurs und war genauso nüchtern eingerichtet wie das Wohnzimmer. Die Schränke glänzten metallen, der Boden war mit hellgrauem Marmor gefliest. Kein Krümel war zu entdecken, geschweige denn Geschirr, Topflappen, Gewürzstreuer oder eins der hundert anderen Dinge, die in Juliettes Küche in der Eichmühle herumstanden. Über der Tür hing eine achteckige Uhr mit roten Ziffern, die Mitte des Raums nahmen ein schwarzer Tisch und Stahlrohrstühle ein. Der Tisch war mit Sorgfalt gedeckt: sonnengelbe Teller und Tassen, eine ebensolche Kaffeekanne auf einem Gitterstövchen; Milch-, Butter- und Zuckerbehälter, ebenfalls in Gelb, standen neben zwei Glaskaraffen mit Orangensaft und Milch. In einem Weidenkorb lagen Brötchen und Baguette, in einem zweiten Äpfel, Bananen und Trauben. Es gab gekochte Eier und Müsli, Joghurt, Wurst, Käse, Honig und verschiedene Sorten Konfitüre.
„Wen erwartest du noch?“, fragte Hedi.
Wolfgang zog ihr einen Stuhl zurück. „Ich dachte, Goethe macht vielleicht hungrig. Außerdem gibt’s in der Galerie heute Nachmittag nur Kanapees.“
Hedi setzte sich. „Ich müsste Brigitte anrufen.“
„Warum tust du’s nicht? Vielleicht hat sie Lust, zur Vernissage zu kommen?“
„Brigitte und moderne Kunst? Na ja ... Aber ich kann ja mal fragen. Ansonsten würde ich sie gern morgen besuchen.“
„Du brauchst dir deine Aktivitäten nicht von mir genehmigen zu lassen“, entgegnete er spöttisch.
„Das habe ich auch ganz bestimmt nicht vor!“
„Wenn ich jemanden einlade, erwarte ich keine Gegenleistung. Mehr wollte ich damit nicht sagen.“
Hedi nahm sich ein Brötchen. „Ach so.“
„Höre ich etwa Enttäuschung anklingen?“, fragte er amüsiert.
Sie wurde rot. „Äh,
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